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Haben Sie schon vom «Gedächtnisleim» gehört? Er hält unsere Erinnerungen für Jahrzehnte im Gehirn fest

Wie kommt es, dass einige Kindheitserinnerungen stärker sind und andere komplett verblassen? Die Molekularbiologie hat das fehlende Puzzleteil für langfristige Erinnerungen gefunden.

An die allermeisten Dinge aus unserer Kindheit können wir uns nicht mehr erinnern. Einige Erlebnisse sind uns aber bis ins Erwachsenenalter detailreich präsent. Vielleicht das erste Mal, wo Sie ohne Stützräder Velo gefahren sind? Oder als Ihnen versehentlich das Honigglas aus der Hand rutschte und am Küchenboden zerschellte? Vielleicht erinnern Sie sich auch an Ihren ersten Kinofilm – oder an das eine Mal im Zoo, als Sie sicher waren, der Orang-Utan habe Ihnen zugezwinkert.

Bisher war ungeklärt, warum einige Erinnerungen fast ein Leben lang erhalten bleiben. Man weiss zwar seit langem, dass Neuronen im Gedächtnis Informationen in Form von Synapsen speichern, die sich zu einem neuronalen Netz verweben. Die Moleküle in den Synapsen sind aber ständig in Bewegung, nutzen sich ab und werden innert Stunden oder Tagen ersetzt. Wie können Erinnerungen dann über Jahrzehnte hinweg stabil sein?

Ein internationales Team von Forschendenfand nun eine Erklärung für das Langzeitgedächtnis: Sie haben die Rolle eines Proteins namens KIBRA (kidney and brain-expressed protein) entdeckt, das als Klebstoff für ein anderes Molekül dient und so die Gedächtnisbildung festigt.

«Frühere Versuche, zu verstehen, wie Moleküle das Langzeitgedächtnis speichern, konzentrierten sich auf die individuellen Aktionen einzelner Moleküle», sagt André Fenton, Professor für Neuralwissenschaften an der New York University und einer der Hauptautoren der Studie. «Unsere Studie zeigt, wie sie zusammenarbeiten, um eine dauerhafte Gedächtnisspeicherung zu gewährleisten.» Und Mitautor Todd Sacktor, Professor an der SUNY Downstate Health Sciences University fügt hinzu: «Diese Erkenntnis wird uns helfen, Gedächtnisprobleme in Zukunft besser zu behandeln.»

Gedächtnisleim hilft starken Synapsen, sich weiter zu vernetzen

In einer Studie mit Labormäusen haben sich die Forschenden auf KIBRA konzentriert. Es ist, je nach genetischer Variante, ein Hinweis auf ein gutes oder schlechtes Gedächtnis beim Menschen. Sie untersuchten das Zusammenspiel von KIBRA und einem anderen Molekül namens PKMzeta, das normale Synapsen stärkt, aber nach einigen Tagen abgebaut wird. Es zeigte sich, dass KIBRA als Klebstoff dient, der starke Synapsen mit PKMzeta verbindet. Schwache Synapsen meidet es.

Die Moleküle in den Synapsen sind ständig in Bewegung, nutzen sich ab und werden innert Stunden oder Tagen ersetzt.
Symbolbild: iStockphoto /Getty

Bei der Gedächtnisbildung heftet sich KIBRA an ausgewählte Synapsen, und PKMzeta heftet sich an KIBRA. So können sich die Synapsen stärken und besser vernetzen. Erhöht man also PKMzeta im Gehirn, werden verblasste Erinnerungen gestärkt. Umgekehrt werden alte Erinnerungen gelöscht, wenn man eine KIBRA-PKMzeta-Bindung bricht. Dass es einen solchen Mechanismus gibt, wurde schon vor vierzig Jahren vermutet. Nun weiss man, um welche Komponenten es sich handelt und wie sie zusammenspielen.(lil)

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