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Wie kommen Blinde über die Strasse, wenn die Ampel ausfällt? Grossrat ist empört über Antwort von Regierung

Daniele Mezzi, Die Mitte, half einer sehbehinderten Frau, die an einer Laufenburger Kreuzung nicht über die hochfrequentierte Strasse kam, weil die Ampel ausser Betrieb war. Gemäss Regierungsrat muss in solchen Fällen der weisse Stock hochgehalten werden, um zu zeigen, dass man die Strasse überqueren will. Mezzi hält das für realitätsfremd – und lässt im Grossen Rat Dampf ab.

Die Antwort des Regierungsrats stösst Grossrat Daniele Mezzi (Die Mitte) sauer auf. In einer Interpellation adressierte der Laufenburger Unternehmer an die Regierung die Frage, ob es tatsächlich so sei, dass Menschen mit einer Sehbehinderung keine Möglichkeit hätten, die Lichtsignalanlage zu benutzen, wenn diese ausser Betrieb sei.

Hintergrund der Frage: An der Kreuzung von Baslerstrasse und Kaisterstrasse in Laufenburg blinkte Mitte August die dortige Ampel orange. Offenbar war die Anlage ausser Betrieb. Während der Fahrt bemerkte Mezzi mit Schrecken, dass eine sehbehinderte Person die Strasse deshalb nicht überqueren konnte. Mezzi hielt das Auto an, fragte, ob er der Frau helfen könnte. Da teilte die Frau ihm mit, dass sie bereits 15 Minuten wartete, da sie merkte, dass die Ampel nicht funktionierte.

Personen mit weissem Stock haben Vortritt

«Sehbehinderte und blinde Menschen zeigen durch Hochhalten des weissen Stocks an, dass sie die Strasse überqueren wollen», antwortete der Regierungsrat am 6. November auf die Frage von Mezzi. Der Verkehrsknoten sei bei einem Ausfall der Lichtsignalanlage so zu benutzen wie ein Fussgängerübergang ohne Lichtsignalanlage. Personen mit weissem Stock sei immer Vortritt zu gewähren, selbst wenn kein Fussgängerstreifen vorhanden ist, hiess es damals weiter.

Grossrat Daniele Mezzi, Die Mitte.
Bild: Martin Steinacher

Dass Mezzi die Antwort für realitätsfremd hält, machte er in seiner Stellungnahme in der Grossratsitzung am Dienstag deutlich: «Die Annahme, dass sehbehinderte Personen in solchen Situationen ohne zusätzliche Unterstützung sicher die Strasse überqueren können, ist problematisch», so Mezzi. Dies, besonders an hochfrequentierten Strassen. Zwar möge das Hochhalten des weissen Stocks Vortritt gewähren, «doch dies setzt voraus, dass alle Verkehrsteilnehmenden dies erkennen und respektieren – was in der Realität nicht immer gewährleistet ist.»

Mezzi fordert eine detaillierte Überprüfung

Auch wollte Mezzi vom Regierungsrat wissen, ob es Lichtsignalanlagen gebe, die nicht sehbehindertengerecht sind. Gemäss Regierung würden sämtliche Lichtsignalanlagen auf Kantons- und Gemeindestrassen seit jeher mit taktilen Signalgebern für Sehbehinderte ausgerüstet. Dies gemäss Normen des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS-Normen). Die Anmeldung erfolge dabei über einen Knopf unterhalb des Fussgängerdrückers, die Freigabe erfolgt mit einem taktilen Freigabesignal in Form eines vibrierenden Pfeils.

Mezzi bezweifelt jedoch dass sämtliche Lichtsignalanlagen im Kanton Aargau gemäss den VSS-Normen ausgestattet seien. «Nach Rückmeldungen aus der Bevölkerung und einer stichprobenartigen Überprüfung scheint das jedoch nicht durchgängig der Fall zu sein», sagte er in seiner Replik. Daher fordert er «eine detaillierte Überprüfung und eine transparente Berichterstattung über den Stand der sehbehindertengerechten Ausstattung aller Lichtsignalanlagen».

Sicherheit darf bei Störungen nicht gefährdet werden

Mezzi machte im Grossen Rat klar: «Angesichts des zunehmenden und immer komplexeren Strassenverkehrs ist es unabdingbar, dass sehbehinderte Menschen nicht nur integriert, sondern auch umfassend geschützt werden.» Es dürfe nicht sein, dass ihre Sicherheit bei Störungen oder durch unzureichende Anpassungen der Infrastruktur gefährdet werde.

In seiner Stellungnahme versprach Mezzi das Thema weiterzuverfolgen. Denn die Integration und Sicherheit von sehbehinderten Menschen im Strassenverkehr sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, «die nicht nur im Rahmen von Normen, sondern vor allem durch eine konsequente Umsetzung in der Praxis gelöst werden muss», ist Mezzi überzeugt.