
Veruntreuung, Säcke voller Geld, Gratis-Fussballspiele: So korrupt ist das EU-Parlament
Jahrelang sollen Marine Le Pen, die Chefin des französischen Rassemblement National und ihre Parteikollegen also hohe Beiträge aus dem EU-Parlament abgezweigt und für die französische Politik verwendet haben. Das ist illegal und kann längst nicht als Versehen gewertet werden. Trotzdem kommt es immer wieder zu ähnlich gelagerten Fällen. Hat das EU-Parlament ein grundsätzliches Problem mit Korruption?

Archivbild: <br/>Keystone
«Champagner-Gate»: Gelage auf Kosten der Steuerzahler
Dem ehemaligem britischen Langzeit-EU-Abgeordnete Nigel Farage und seiner UKIP-Partei wurde im Jahr 2017 nachgewiesen, mindestens eine halbe Million Euro an EU-Parteigeldern für die Brexit-Kampagne und für den Wahlkampf in England verwendet zu haben. Sie mussten das Geld zurückzahlen.
Die rechtspopulistische «Dänische Volkspartei» hat ebenfalls mehrere Hunderttausend Euro missbräuchlich verwendet. Und die ehemalige Fraktion «Europa der Nationen und Freiheit», welcher neben Le Pen auch die österreichische FPÖ angehörte, hatte 2016 einen Skandal, weil sie insgesamt 427’000 Euro für Luxus-Abendessen, teure Weihnachtsgeschenke und Hunderte Flaschen Champagner ausgaben. Die Affäre wurde als «Champagner-Gate» bekannt.
Aber nicht nur die Rechten sind betroffen: Der amtierende französische Premier Francois Bayrou und seine zentristische MoDem soll ebenfalls über Jahre Mitarbeiter in Paris mit EU-Geld bezahlt haben. Bayrou wurde zwar im Jahr 2023 vom Gericht freigesprochen, aber die französische Justiz hat Berufung eingelegt.

Bild: Keystone
«Katar-Gate»: Hunderttausende Euros in Cash
Die wohl grösste Korruptionsaffäre der letzten Jahre war das sogenannte «Katar-Gate». Über eine Lobby-Organisation im Bereich Menschenrechte sollen Katar und Marokko versucht haben, gezielt Einfluss auf Entscheidungen des EU-Parlaments zu nehmen. Der ehemalige sozialdemokratische EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri soll als Chef der Lobby-Organisation Türöffner gespielt haben. Bei ihm zu Hause wurden 600’000 Euro in bar gefunden.
Bei Eva Kaili, der damaligen Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, wurden ebenso 750’000 Euro in bar gefunden. Ihr Lebenspartner Francesco Giorgi war eng mit Panzeri verbandelt. Die Ermittlungen ziehen sich hin. Ein Prozessauftakt ist nicht absehbar. Besonders Eva Kaili wehrt sich gegen den Vorwurf, etwas mit den Bestechungsgeldern zu tun zu haben.

Bild: <br/>Staatsanwaltschaft Belgien
«Huawei-Affäre»: Geldgeschenke für nette Worte
Aktuell dreht in Brüssel die «Huawei-Affäre». Dem chinesischen Technologie-Konzern wird vorgeworfen, über seine Lobbyisten seit 2021 verschiedene EU-Abgeordnete oder deren Assistenten zu wohlgesinnten Stellungnahmen angestiftet zu haben. Dafür wurden sie mutmasslich mit Luxus-Reisen oder Einladungen zu Fussballspielen belohnt. Mitte März kam es zu mehreren Durchsuchungen und Festnahmen. Huawei bestreitet sämtliche Vorwürfe. Das Unternehmen steht wegen Spionagevorwürfen auf einer schwarzen Liste der USA und wird auch von mehreren europäischen Staaten sanktioniert.
Ist das EU-Parlament nun korrupter als andere Parlamente? Die Frage lässt sich nur schwer beantworten. In Brüssel gelten auf der einen Seite hohe Transparenzvorschriften. Jedoch wurden sie in der Vergangenheit nicht immer durchgesetzt.Die Vielzahl an Lobbyisten und die hohe Komplexität mit 720 Abgeordneten aus 27 Ländernist zudem eine Herausforderung. Auf der anderen Seite kommt es auch im nationalen Kontext immer wieder zu Skandalen. Zu nennen wäre etwa die sogenannte Masken-Affäre in Deutschland im Zuge der Coronapandemie im Jahr 2020 oder der «Ibiza-Skandal» in Österreich 2019.