Wegen Untätigkeit der Kantone: Lehrerverband fürchtet um Qualität der Schule
Von einer Leier zu sprechen, würde der Relevanz des Problems nicht gerecht. Und dennoch warnt der Lehrerverband alljährlich vor demselben Problem: Der Mangel an Lehrpersonen zwinge die Schulen dazu, «mit Notlösungen ins Schuljahr zu starten», wie Dagmar Rösler am Donnerstag vor den Medien betonte.
Die Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerverbands kritisiert, dass der seit Jahren in vielen Regionen akute Lehrermangel hätte verhindert werden können: «In vielen Kantonen hat die Bildungspolitik zu lange zu wenig unternommen.» Dabei wüssten die Kantone spätestens seit dem Bildungsbericht 2018, «dass etwas gehen muss». Doch viele hätten «nicht oder viel zu spät gehandelt».
Zwar ist die Situation heuer etwas weniger angespannt als im Jahr zuvor, wie eine Umfrage von SRF zeigt. Der Grossteil der Kantone in der Deutschschweiz konnte alle Stellen besetzen, in einigen Kantonen – darunter im Aargau sowie in St.Gallen und Zürich – sind nach wie vor Stellen offen. Doch laut Rösler werden an vielen Schulen Personen ohne pädagogische Ausbildung als Lehrerin oder Lehrer angestellt: «Das darf nicht zum Normalfall werden, Lehrpersonen brauchen eine pädagogisch fundierte Ausbildung.» Ansonsten gefährde man mittel- bis langfristig die Bildungsqualität.
Verband will Druck auf Politik ausüben
Das sei für den Lehrerinnen- und Lehrerverband inakzeptabel. Aus diesem Grund lanciert der Verband in diesem Herbst einen überkantonalen «Aktionsplan Bildungsqualität». Ziel davon sei einerseits, den Lehrerinnen- und Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen, damit genügend ausgebildetes Personal zur Verfügung steht. «Andererseits», so Rösler, «müssen die Arbeitsbedingungen verbessert und die Belastung der Lehrpersonen reduziert werden». Ansonsten würde das Schulpersonal ausbrennen.
Wie der Verband diese Ziele konkret erreichen will, bleibt vorerst unklar. Klar ist hingegen, dass Lösungen auf kantonaler Ebene angestrebt werden. Man arbeite eng mit den kantonalen Lehrerverbänden zusammen und werde diese dabei unterstützen, konkrete, auf die kantonale Situation zugeschnittene Massnahmen zu erarbeiten und Forderungen an die Politik zu formulieren. Parallel dazu soll die Öffentlichkeit mit einer nationalen Kampagne für das Thema sensibilisiert werden. Für Rösler ist klar: «Ohne Druck bewegt sich in der Bildungspolitik nichts.»
Auf die Kritik angesprochen, verweist die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) darauf, dass sie «keinen politischen Auftrag im Zusammenhang mit dem Lehrermangel» habe. Dafür seien die einzelnen Kantone und ihre Gemeinden zuständig. Diese hätten in den vergangenen Jahren vielerorts «die Anstellungsbedingungen verbessert und auch Kampagnen zum Gewinnen von Lehrpersonen lanciert». Zudem hätten die pädagogischen Hochschulen Studiengänge für Quereinsteigende entwickelt, teilt die EDK mit.
Leichte Entspannung zeichnet sich ab
Dennoch dürfte das Problem in den kommenden Jahren bestehen bleiben. Auch weil sich die vom Lehrerverband angestrebten politischen Massnahmen nicht von heute auf morgen realisieren lassen. Gemäss Szenarien des Bundesamts für Statistik müssen im Zeitraum von 2022 bis 2031 zwischen 43’000 und 47’000 neue Lehrpersonen auf der Primarstufe ausgebildet werden. Nur so könnten das Bevölkerungswachstum und die Austritte sowie Pensionierungen aufgefangen werden. Doch die Prognosen zeigen: Im gleichen Zeitraum werden die pädagogischen Hochschulen voraussichtlich nur rund 34’000 Lehrdiplome ausstellen.
Diese Lücke soll teilweise durch ausländische Lehrpersonen oder Lehrkräfte mit einer Ausbildung für andere Schulstufen gedeckt werden. Wenn das gelingt, dann dürfte sich der Lehrkräftemangel bis 2031 leicht entschärfen. Das BFS schreibt: «Das jährliche Angebot an neuen Lehrkräften dürfte sich in den meisten Regionen dem Bedarf annähern, wobei die Situation je nach Region sehr unterschiedlich ist.»