Lehrerverband sieht Bildung im Aargau in Gefahr – und lanciert Initiative
Der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) sieht die Bildung im Kanton Aargau in Gefahr. Deshalb will der Berufsverband im Januar eine kantonale Initiative lancieren. Ihr Zweck: Die Bildungsqualität soll in der Kantonsverfassung verankert werden. Kanton, Gemeinden und Gemeindebehörden sollen entsprechende Massnahmen ergreifen.
Beat Gräub, stellvertretender Geschäftsführer des alv, führt die Pläne seines Verbands im Mitgliedermagazin des Kaufmännischen Verbands Schweiz Aargau Ost «Top News» genauer aus. Die Bildung im Aargau sei in vielerlei Hinsicht bedroht, schreibt Gräub im Artikel. Im Zentrum stehe der enorme Mangel an Fachpersonal im Bildungswesen. Diesem könne aktuell oft nur mit Notlösungen begegnet werden. «Teilweise finden sogar Lektionen wie Deutsch als Zweitsprache, Logopädie oder Schwimmen einfach nicht statt», schreibt Gräub.
Der Mangel an Lehrpersonen ist seit mehreren Jahren ein Dauerbrenner in der Bildungslandschaft. Die Politik sucht langfristige Lösungen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Die Schulleitungen sind Jahr für Jahr herausgefordert, alle Stellen zum Schulstart im August zu besetzen.
Berufsschulen müssen Deutsch nachholen
Gräub sieht auch Konsequenzen für die Berufsschulen. Wenn basale Kompetenzen in Fächern wie Deutsch oder Mathematik nach den obligatorischen neun Schuljahren nachgeholt werden müssen, stelle dies eine zusätzliche Belastung der dualen Bildung dar, schreibt Gräub.
Er nennt ein weiteres Beispiel, wie der Lehrpersonenmangel das Bildungswesen herausfordert: Ausfälle durch Krankheiten. Der Lehrpersonenmangel erschwert die Suche nach Stellvertretungen, teils bleiben die Kinder zu Hause. «Für erwerbstätige Eltern ist dies ein Problem», schreibt Gräub. Weiter sieht er Vorteile, wenn die Klassen kleiner würden: Die Förderung der Kinder kann individueller, der Austausch mit den Eltern intensiver geführt werden.
Alv kritisiert Revision des Schulgesetzes
Gräub weibelt im Artikel jedoch nicht nur um die Gunst der Leserinnen und Leser für die kantonale Initiative, nein, er greift auch den Kanton an. Denn das Aargauer Schulgesetz aus dem Jahr 1982 erfährt derzeit eine Totalrevision. Mehr als vierzig Teilrevisionen hat es inzwischen erfahren, wodurch Lesbarkeit und Systematik litten. Auch soll es sprachlich überarbeitet werden. So sei die Totalrevision vorwiegend formeller Art, befand das zuständige Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) in einer Medienmitteilung Anfang September. Materielle Neuerungen soll es nur wenige erhalten.
Falsch, meint Gräub in seinem Artikel. Im Rahmen der Anhörung hat der alv Einblick in den Gesetzesentwurf erhalten. Dieser enthalte durchaus einige materielle Änderungen, schreibt Gräub. «Dies ist ärgerlich, weil darauf in den Anhörungsfragen nur teilweise eingegangen wird.» Der stellvertretende alv-Geschäftsführer kritisiert insbesondere die Idee des Departements, den Kündigungstermin für Lehrpersonen auf jedes Monatsende statt wie bis anhin üblich auf das Semesterende festzusetzen.
Für Gräub ist dies in der derzeitigen Lage kontraproduktiv. «Beim momentanen Lehrpersonenmangel wäre eine solche Änderung für die Lehrpersonen attraktiv. Wir möchten diese Mangellage ja aber im Sinne der Qualität überwinden.» Er befürchtet: Die Planungssicherheit würde für alle Beteiligten stark abnehmen, die Qualität der Schule könne sinken. «Der alv ist unzufrieden, dass eine derart weitreichende Änderung nicht in einer separaten Botschaft vorgeschlagen wurde», schreibt Gräub.
Auch in weiteren Kantonen sind Initiativen geplant
Die kantonale Initiative im Aargau ist Teil einer nationalen Kampagne des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Im November stellte der Verband seinen Aktionsplan Bildungsqualität vor. Diesen sieht der LCH als Antwort auf die «Pflästerlipolitik» der Kantone.
Wie die im Plan formulierten Vorschläge konkret umgesetzt werden, ist Sache der Kantonalsektionen. So setzt etwa der Verband Lehrpersonen Graubünden auf eine Petition. In anderen Kantonen sind ebenfalls Initiativen geplant. «So beauftragen wir die Politik, endlich konkrete Massnahmen zu ergreifen», sagte alv-Präsidentin Kathrin Scholl bei der Präsentation des Aktionsplans vor den Medien im November.
Der alv plant, am 17. Januar 2024 mit der Unterschriftensammlung zu beginnen. Ein Jahr Zeit hat der Verband dann die notwendigen 3000 Unterschriften zu sammeln.