Die bessere Absicherung im Alter ist ein Fortschritt
Auch wer sich bemüht, die Pensionskassenreform zu verstehen, beisst bald einmal auf Granit. Da sind die vielen technischen Änderungen, um die tiefen Renten aufzubessern. Da sind leicht höhere Abgaben für Rentenzuschüsse, um Einbussen zu verhindern.
Was die Reform im Einzelfall genau bedeutet, kann niemand so genau sagen. Die Höhe einer Pensionskassenrente hängt schlicht von zu vielen Faktoren ab, als dass sie sich so einfach voraussagen liesse.
Ungefähre Aussagen lassen sich trotzdem ableiten. So zeigen die offiziellen Modellrechnungen, dass tiefe Einkommen und Teilzeitarbeit von der Reform profitieren. Doch selbst das wird seit Tag eins bestritten. Indem die Gewerkschaften falsche Zahlen bedienen und offizielle Angaben schlechtreden, hintertreiben sie eine faire und sachliche Diskussion. Wer in knapp zwei Wochen abstimmen muss, ist wegen des darob entstandenen Zahlenchaos geneigt, die Vorlage bachab zu schicken.
Die Gegner beabsichtigten genau das: über Verwirrung noch mehr Zweifel streuen. Sie spielen ein abgekartetes Spiel. Dabei hat die Vorlage eine genauere Betrachtung verdient. Sie bringt namhafte Verbesserungen in ein komplexes, aber sehr wichtiges System.
Mehr sparen für eine bessere Rente
Die berufliche Vorsorge ergänzt die AHV und die IV, um im Alter, bei einem Todesfall oder bei Invalidität würdig leben zu können. Nur ist das System im letzten Jahrhundert stehen geblieben. Sowohl Teilzeitpensen wie auch tiefe Löhne sind heute schlecht abgesichert. Eine tiefere Eintrittsschwelle und die Senkung des Koordinationsabzugs ermöglichen neu gerade Frauen, einen höheren Teil des Lohnes zu versichern und so eine bessere Rente anzusparen.
Zweitens peilt die Reform eine fairere Finanzierung der Pensionskassenrenten an. Obwohl in der beruflichen Vorsorge jede Person für sich selber spart, findet bei Pensionskassen mit Minimalleistungen eine ungewollte Umverteilung zwischen Erwerbstätigen und Pensionierten statt. Das liegt am überhöhten Rentenversprechen. Dieses kann nicht mehr eingehalten werden, weil die Menschen länger leben und ihr angespartes Altersguthaben neu für zusätzliche Jahre reichen muss.
Der rentenbestimmende Mindestumwandlungssatz soll darum von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Diese Änderung betrifft fast ausschliesslich die obligatorisch Versicherten, das heisst Löhne unter 88’200 Franken pro Jahr, die mit gesetzlich festgeschriebenen Minimalleistungen versichert sind. Klar ist: Die Reform tastet weder die Renten der Pensionierten noch jene von Besserverdienenden an.
Das bedeutet umgekehrt: Just obligatorisch Versicherte, also Personen mit tiefen Einkommen, sind betroffen. Um eine Renteneinbusse abzuwenden, werden grosszügig Kompensationen verteilt: Für alle Personen mit einem Vorsorgeguthaben von weniger als 441’000 Franken gibt es einen Zuschlag von 50 bis 200 Franken pro Monat. Finanziert wird dieser über die Reserven der Pensionskassen und Solidaritätszahlungen sämtlicher Erwerbstätigen.
Trotz Kritik überwiegen die Vorteile
Die Reform ist ein Kompromiss. Und das macht sie angreifbar. Kritiker sagen, die Rentenzuschüsse seien mit 11 Milliarden zu hoch, sie verschärften die Umverteilung. Allerdings geht diese zugunsten der tiefen Einkommen. Kritiker sagen, für Frauen sei es ein Nullsummenspiel, weil sie mehr sparen müssen und wegen der Rente die Ergänzungsleistungen wegfallen.
Doch das greift viel zu kurz. Erstens können Frauen endlich eigenes Vermögen ansparen. Zweitens wird ihnen jeder einbezahlte Franken vom Arbeitgeber verdoppelt und drittens profitieren sie auch von den Renditen des Kapitalmarkts. Schätzungsweise 360’000 Personen erhalten eine zum Teil deutlich bessere Rente. Gerade Frauen werden so ermächtigt, auf eigenen Beinen zu stehen.
Ja, die Reform ist nicht perfekt. Es wäre aber ein Fehler zu glauben, in einem neuen Anlauf gelinge diese besser. Das haben die gescheiterten Vorlagen der Vergangenheit zur Genüge bewiesen. Die Reform bedeutet Fortschritt und wesentliche Verbesserungen, deshalb verdient sie ein Ja.