Die Welt 2025: Pessimisten könnten sich in Trump irren
Man gewöhnt sich beinah an die Düsterheit der Jahresrückblicke. 2020 und 2021 dominierte Corona mit Millionen von Toten, 2022 der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, 2023 das Massaker der Hamas gegen Israel und des so ausgelösten Kriegs in Gaza.
Gemessen daran muss man es schon fast als Überraschung verbuchen, dass 2024 keine neue Gross-Katastrophe ausbrach. Zwar halten die Spannungen zwischen China und Taiwan an, aber es kam zu keiner militärischen Konfrontation. Auch im Nahen Osten blieb der befürchtete Flächenbrand aus. Und Putins Drohung erwies sich als leer, taktische Atomwaffen einzusetzen.
Wirtschaft hält sich besser als erwartet
Wirtschafts- und Börsenprognosen entpuppten sich als falsch. Wegen der geopolitischen Spannungen war mit einer Rezession in vielen Ländern gerechnet worden. Das geschah (mit Ausnahme Deutschlands) genauso wenig wie der Aktiencrash um 40 Prozent, den der US-Starökonom Nouriel Roubini prophezeit hatte.
«Es hätte schlimmer werden können» ist freilich ein schwacher Trost, wenn man in den Jahresrückblicken am Fernsehen all die Kriegstoten, Unwetter, Anschläge und zuletzt zwei Flugzeugabstürze vorbeiziehen sieht.
Trump, Russland und China
Mit Blick auf 2025 lässt sich ziemlich risikolos voraussagen, dass die Präsidentschaft Donald Trumps vieles verändern wird. Zum Schlechteren? Das befürchten viele in Europa. Ein naheliegender Schluss angesichts seiner – milde ausgedrückt – charakterlichen Defizite.
Vielleicht aber auch ein vorschneller Schluss. Trump geht es vor allem um eines: Er will Deals abschliessen und beliebt sein. Das Mass für seine Popularität ist die Zustimmungsrate in der Bevölkerung, und er erachtet den Börsenindex als Zeugnis für seine Arbeit.
Insofern ist unwahrscheinlich, dass Trump einen globalen Handelskrieg vom Zaun reisst. Denn extreme Zölle würden die Produkte für US-Konsumenten verteuern. Inflation macht unpopulär, und die Börsenkurse würden sinken. Dasselbe gilt für ein überzogenes Vorgehen bei der Migration. Dessen ist sich Trump bewusst, wie er jüngst in einem TV-Interview sagte.
Gegenüber China wird Trump die USA vermutlich weiter abgrenzen, und das ist im Interesse der demokratischen, liberalen Welt. Was aber plant Trump im Ukraine-Krieg? Er möchte als derjenige in die Geschichte eingehen, der den Krieg beendet hat. Eine gute Absicht. Nur: Zu welchen Bedingungen? Es wäre fatal, wenn Putins Aggression belohnt würde. Trumps Personalentscheidungen im Aussenministerium lassen nicht vermuten, dass er Putins Wünsche einfach so erfüllen wird.
Trump will dem starken Mann Putin wohl beweisen, dass er selber stärker ist und ihm Zugeständnisse abringen kann. Man wird sehen. Jedenfalls: 2016 orderte eine Putin-nahe Partei nach Trumps Wahl noch 130 Champagnerflaschen. Diesmal nicht mehr.
Deutschland und Frankreich – wohin?
Leider ist auf Europa kein Verlass, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht. Man ist mit sich selbst beschäftigt. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs brachen zusammen. In Berlin wird am 23. Februar 2025 gewählt. In Paris versucht sich gerade der zweite Premierminister innerhalb eines halben Jahres, und er wackelt bereits.
Verglichen damit wirkt die Stabilität der Schweiz fast schon aufreizend. Es wird hart gerungen um EU-Deal und Armeeausgaben, und doch erscheinen die Debatten routiniert. Erstaunlich ist, wie sehr der Kollaps der Credit Suisse von März 2023 bereits wieder in den Hintergrund gerückt ist, trotz eben veröffentlichtem PUK-Bericht.
International interessiert sich kaum jemand für uns. Die Schwäche Deutschlands und Frankreichs aber kommt im dümmsten Moment. Die «Achse der Autokraten» (Anne Applebaum) von Putin über Xi bis zu Irans Mullahs und Nordkoreas Kim arbeitet daran, die Demokratien zu schwächen, um die eigene Macht zu sichern. Diese Herren profitieren vom Ausfall Europas.
Den Autokraten läuft’s nicht gut
Allerdings läuft es den Autokraten nicht gut. Lange schien es, dass China die USA als grösste Volkswirtschaft überholt. Doch seit 2021 baut Amerika seinen Vorsprung wieder aus. Auch Russlands Wirtschaftskrise spricht nicht für die angebliche Überlegenheit autoritärer Systeme.
Vielleicht am wichtigsten: Zwei bedeutende Teile der «Achse der Autokraten» brachen 2024 heraus. In Syrien wurde Langzeit-Tyrann Assad gestürzt und flüchtete nach Moskau. Und der Iran steht nach diesem Jahr massiv geschwächt da. Dies, weil Israel ein Grosserfolg gelang. Es machte die Terrormilizen Hamas und Hisbollah weitgehend unschädlich. Beide Organisationen werden vom Iran finanziert.
Israel, die einzige Demokratie in Nahost, und die syrische Bevölkerung haben bewiesen, dass Tyrannen und Terroristen besiegbar sind. Der Wunsch, frei zu leben, ist nicht zu bändigen. Das stimmt hoffnungsvoll fürs neue Jahr.