Gut gemeint reicht nicht: Beide Gesundheitsinitiativen bieten keine gescheiten Lösungen gegen das Prämienwachstum
Die Hiobsbotschaft kommt gerade im richtigen Moment: Auch 2025 werden die Krankenkassenprämien deutlich, um schätzungsweisen 6 Prozent, steigen. Jedes Jahr mehrere hundert Franken zusätzlich an die Versicherung abgeben? Dagegen wehren sich SP und Mitte mit je einer eigenen Initiative, über die wir am 9. Juni abstimmen.
Die Sozialdemokraten wollen einen Prämiendeckel einführen: Kein Haushalt soll mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenkasse ausgeben müssen.
Die Mitte will über eine Kostenbremse den Anstieg der Gesundheitsausgaben drosseln: Pro Jahr darf das Wachstum nicht höher als das Lohnwachstum sein.
Die Verlockung ist gross, einfach zuzustimmen – in der Hoffnung, damit seien auf einen Wisch alle Sorgen vom Tisch. Doch das Problem der finanziellen Last löst sich nicht, indem wir einen Deckel darüber legen. Denn die Milliarden an neuen Prämienverbilligungen muss die Bevölkerung über die Steuern wieder aus der eigenen Tasche zahlen. Gleichzeitig liegt der Initiative ein grober Konstruktionsfehler zugrunde. So sieht sie vor, dass der Bund mindestens zwei Drittel der Kosten übernimmt.
Solange aber die Kantone die Spitalplanung und die Ärztezulassung steuern, müssen auch sie die finanzielle Verantwortung tragen. Wenn der Bund die Rechnung zahlt, fehlt der Anreiz, daran etwas zu ändern. Der Gegenvorschlag, der bei einem Nein zur Prämienentlastungsinitiative in Kraft tritt, setzt genau da an: Er nimmt die Kantone in die Pflicht, Personen mit kleinem Einkommen besser zu unterstützen. Die Initiative hat einen zweiten negativen Effekt: Sie belohnt jene Kantone, die im Gesundheitswesen verschwenderisch haushalten, und bestraft jene, die sparsam planen.
Die Kostenbremse gaukelt hingegen eine Lösung vor, die es gar nicht gibt. Nicht nur das: Während der Pandemie hat sie sich selbst widerlegt, als die Gesundheitskosten stiegen und die Wirtschaftsleistung sank. Weiter lassen sich die Ausgaben nicht von Zauberhand bremsen. Wie unsere Recherchen zeigen, erschöpfen sich die Massnahmen schnell, neue Ideen liegen keine vor. Für eine qualitativ gute Versorgung brauchen wir keine erzwungenen und kurzfristigen, sondern gescheite Lösungen.
Das ist schwierig. Denn der Widerspruch zwischen einer guten Versorgung und tiefen Kosten hemmt viele Entwicklungen. Angefangen bei den Versicherten, die nicht nur mehr Leistungen beziehen, sondern auch stets die beste Versorgung haben und sowieso alles abklären wollen. Die Rechnung soll dann bitte die Krankenkasse zahlen: Alternativmedizin, Psychotherapie, jede Schwangerschaftsuntersuchung ab der ersten Woche und auch das Testen des fünften Krebsmedikaments.
Das sind vielleicht berechtigte Anliegen. Nur kosten sie auch. Und die Wunschliste geht weiter: Für künstliche Befruchtung soll die Krankenkasse zahlen, am liebsten auch für Zahnmedizin. Und Kosten sparen, indem man Spitäler schliesst, will auch niemand.
Diese Spirale aus Ansprüchen und steigenden Kosten lässt sich schwer durchbrechen. Und sie wird beschleunigt durch die Demografie: Die Zahl der chronisch und mehrfach kranken Patienten und Patientinnen nimmt zu. In dieser Situation eine Kostenbremse anzusetzen, wäre fahrlässig.
Die Schwierigkeit ist es, auch unliebsame Lösungen in einem komplexen System durchzusetzen, da hat die Mitte-Partei recht. Der Widerstand ist gross, es geht um viel Geld. Aber es stimmt auch nicht, dass die Politik untätig bleibt. Zwei Grossreformen reifen seit Jahren und stehen vor dem Abschluss.
Mit einer einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) erhält die Schweiz den dringend notwendigen Schub zur Ambulantisierung. Bei vielen Eingriffen müssten Patienten schon heute nicht mehr im Spital übernachten. Das alte System begünstigt vor allem Spitäler und Versicherer, ist aber teuer. Zweitens wird der Bundesrat diesen Sommer eine neue Tarifstruktur genehmigen, die grobe Fehlanreize beseitigt.
Zuletzt liessen kostensenkende Projekte auf sich warten. Das strapaziert die Geduld der Prämienzahlenden. Doch wer jetzt in diesen beiden Initiativen die kurzfristige Entlastung sucht, irrt: Dafür sind sie inhaltlich schlicht zu wenig ausgereift.