«…dass ich nicht durchdrehe beim letzten Schiessen»: Biathletin Lena Häcki-Gross schreibt mit Weltcup-Sieg Geschichte
Der Tag geht ein in die Geschichtsbücher. Die Engelberger Biathletin Lena Häcki-Gross fährt allen davon und schiesst sich beim Einzelwettkampf im italienischen Antholz zum ihrem ersten Weltcupsieg. Es ist erst der zweite Erfolg in der Schweizer Biathlon-Geschichte.
Dass Häcki-Gross bei diesem Einzelrennen so brillierte, verdankte sie ihren Schiessleistungen. Mit ihren Schüssen traf sie alle 20 Ziele. Nur zwei weitere Athletinnen schafften dies in diesem Rennen ebenfalls. Doch die Obwaldnerin zeigte bei diesem Wettkampf nicht nur ihr Können beim Schiessen, sondern auch in der Loipe. Am Schluss kürte sie sich mit einer Bestzeit von 36 Minuten und 49 Sekunden zur Siegerin und distanzierte die Konkurrenz um 20 und mehr Sekunden.
Mit Tränen in den Augen
Für die 28-Jährige ist es der grösste Sieg in ihrer Karriere. «Auf der Schlussrunde war es nur noch ein verschwommenes Irgendetwas», sagte die Siegerin mit Tränen in den Augen im Interview gegenüber SRF. Die vier erfolgreichen Schiessen hatte es für den Sieg gebraucht.
Häcki-Gross sagte weiter, dass ihre Mentaltrainerin bei diesem Erfolg eine wichtige Rolle gespielt hat: «dass ich nicht durchdrehe beim letzten Schiessen.» Deshalb habe sie sich selbst und ihre Technik fokussiert. Mit Erfolg. «Ich fühle alle Emotionen gleichzeitig und kann es nicht beschreiben», sagte sie weiter.
Es ist kein Zufall, dass Lena Häcki-Gross in diesem Winter die mit Abstand beste Saison ihrer Karriere abliefert. Bereits vor der Siegpremiere in Antholz bei ihrem insgesamt 260. Weltcup-Einsatz klassierte sie sich sieben Mal in den Top 10. Sowohl läuferisch wie punkto Trefferquote ist die 28-Jährige so stark wie nie zuvor. Dennoch schaffte sie es nie an die Spitze. Bis jetzt.
Die Überwindung ihrer Binge-Eating-Störung
Verschiedene Faktoren tragen zum aktuellen Höhenflug bei. Nach einer persönlich äusserst schwierigen, von ihrer jahrelangen Essstörung geprägten Zeit, geht es ihr heute mental blendend. Die Zuhilfenahme einer psychiatrischen Begleitung zur Überwindung der Binge-Eating-Störung sowie die Hochzeit mit dem deutschen Biathleten Marco Gross vor eineinhalb Jahren waren entscheidende Eckpunkte. Auch der Mut, ihre Erkrankung in einem Interview mit CH Media öffentlich zu machen, bedeutete einen wichtigen Meilenstein im Heilungsprozess.
Litt Lena Häcki aufgrund ihrer Fressattacken während Jahren unter massiven Gewichtsschwankungen, so präsentiert sie sich in dieser Saison auch physisch so fit wie nie. Die Saisonvorbereitung verlief ohne jeglichen gesundheitlichen Rückschlag. Dies erlaubte der Engelbergerin, die seit mehreren Jahren in Ruhpolding lebt, ihren Trainingsumfang noch einmal auf einen neuen Rekordwert zu steigern.
Auch die Entwicklung im Schweizer Team tat der harmoniebedürftigen, mit einem feinen Gespür für atmosphärische Störungen ausgestatteten Athletin gut. Kamen in der Olympiasaison noch teaminterne Differenzen an die Oberfläche, so sagte die 28-Jährige vor der aktuellen Saison: «Die Stimmung und gegenseitige Unterstützung in unserer Gruppe ist sehr gut.» Auch das eine Basis für den ersten Sieg in der Karriere von Lena Häcki-Gross.
Mit dem ersten Weltcup-Sieg schreibt sie nicht nur persönliche Geschichte, sondern auch diese der Schweiz. Denn nach zwei Triumphen von Selina Gasparin im Jahr 2013, feiert sie als zweite Schweizerin einen Weltcup-Sieg im Biathlon.