Rangelei bei Restaurant: Das Küchenmesser will er zum Selbstschutz geholt haben
Wüste Szenen haben sich abgespielt bei einem Restaurant in der Region Lenzburg. Es blieb nicht bei üblen Beschimpfungen, es flogen auch Gläser und Steine. In die tätliche Auseinandersetzung waren mehrere Männer verwickelt. Einer, ein gebürtiger Syrer, musste sich kürzlich vor dem Bezirksgericht in Lenzburg verantworten. Angeklagt war er wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Raufhandels.
Der Beschuldigte – ein schlanker, gepflegter 25-Jähriger mit weissen Turnschuhen, blauen Jeans und schwarzer Jacke – schilderte, was an jenem Donnerstagabend Mitte Mai 2022 vorgefallen war. Er sei in der Küche mit dem Abwasch beschäftigt gewesen. Ein Pole, dessen Freundin ebenfalls im Lokal arbeitete, sei aufgetaucht, habe herumgeschrien. Er habe nachgeschaut, was passiert, und ein Küchenmesser geholt, um sich verteidigen zu können, sagte der Syrer. Er habe Angst gehabt, dass ihn der Pole schlage, habe nicht gewusst, was er sonst machen sollte, wie er ihn stoppen und von sich fernhalten könnte, liess der Syrer durch die Dolmetscherin übersetzen. Verletzt habe er niemanden.
Die Verglasung der Türe ging in die Brüche
Der Syrer, der seit 2016 in der Schweiz lebt, ist mittlerweile als Gerüstbauer tätig. Derzeit sei er arbeitslos, weil es im Winter wenig zu tun gebe. Er hoffe aber, im nächsten Monat wieder auf der Baustelle beginnen zu können. Er wolle sich hier ein gutes Leben aufbauen mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Sohn, antwortete er auf die Frage von Gerichtspräsident Daniel Aeschbach nach seinen Zukunftsplänen.
Gemäss Anklageschrift stiess der Pole «ohne Veranlassung» den Syrer gegen die Zugangstüre zur Restaurantküche. Die Verglasung ging in die Brüche. Der Syrer wiederum habe dem Polen eine Schnittverletzung am rechten Unterarm zugefügt, zusätzlich «einen kratzerartigen Defekt an der Bauchhaut». Ausserhalb des Restaurants sei die Rangelei weitergegangen.
Der damalige Geschäftsführer des Lokals, der in einem separaten Verfahren per Strafbefehl verurteilt worden war, sagte als Auskunftsperson aus. Er erinnerte sich daran, dass der Pole einen Streit hatte mit seiner Freundin. Vor dem Restaurant habe er versucht, zu schlichten, so der damalige Geschäftsführer. Warum er ebenfalls eine Strafe erhalten hatte – die er akzeptierte –, konnte trotz Nachfrage von Einzelrichter Aeschbach nicht geklärt werden. Der Vorfall habe dem Restaurant geschadet, sagte der damalige Geschäftsführer.
Der Pole blieb Verhandlung unentschuldigt fern
Sein Mandant habe keine andere Möglichkeit gehabt, als sich zu verteidigen, hielt der Verteidiger des beschuldigten Syrers in seinem Plädoyer fest. Der bullige und grosse, kräftige und aggressive Pole sei seinem verängstigten Mandanten körperlich weit überlegen gewesen. Der Syrer sei in Bedrängnis gewesen, habe aus Notwehr gehandelt, habe das Messer zum Selbstschutz hin und her bewegt, um sich den Angreifer vom Leib halten zu können. Eine Verletzungsabsicht habe nicht bestanden. Das dürfe nicht bestraft werden, hielt der Verteidiger fest und forderte einen Freispruch.
Vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung wurde der Syrer zwar freigesprochen. Schuldig gesprochen wurde er aber des Raufhandels und der einfachen Körperverletzung. Die Verletzungen seien mit einem gefährlichen Gegenstand, sprich einem scharfen Küchenmesser, verübt worden, stellte das Gericht fest. Verurteilt wurde der Syrer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten. Auf eine Landesverweisung wird verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hatte eine solche für die Dauer von fünf Jahren gefordert. Übernehmen muss der Syrer 80 Prozent der Verfahrenskosten und der Anklagegebühr, alles in allem eine Summe von knapp 3700 Franken.
Der ebenfalls beschuldigte 35-jährige Pole blieb der Gerichtsverhandlung unentschuldigt fern. Zugegen im Gerichtssaal war dessen Verteidiger. Seinen Mandanten habe er seit der Entlassung aus dem Gefängnis nicht mehr gesehen. Dieser habe wahrscheinlich nicht begriffen, um was es gehe, sagte der Verteidiger. Der Pole wird nun erneut vorgeladen. Erscheint er ein weiteres Mal nicht, kann das Urteil in Abwesenheit gefällt werden.