25 Schattierungen in Weiss: Billige Wandfarben in teurem Gewand kann man entlarven
Zwölf Millisekunden reichen, um zu spüren, ob man sich in einem Raum wohlfühlt oder nicht. Das behauptet Katrin Trautwein, die Gründerin der Farbmanufaktur kt.Color in Uster. Sie sagt: «Die Abneigung gegen eine Farbe wirkt ebenso unmittelbar wie die Zuneigung.» Ihre Mission ist es, die Menschen vom Nutzen guter Wandfarbe zu überzeugen. «Farben lassen uns unsere Welt wahrnehmen. Und obwohl Menschen Farben unterschiedlich benennen, so gibt es doch ein gemeinsames Farbempfinden. Man weiss eben, dass eine reife Erdbeere rot ist.»
Vergesst die Trends
Verschiedene Unternehmen versuchen hingegen, ihre Kunden davon zu überzeugen, dass gerade eine spezielle Farbe die schönste sei. «Viva Magenta» soll in diesem Jahr den Einzug in unsere vier Wände halten, sagten etwa die Experten von Pantone, welche Viva Magenta zur Farbe des Jahres erkoren haben. Mutig und furchtlos sei es. Für das Trendforschungsunternehmen WGSN ist dagegen «Digital Lavender» auf dem Vormarsch. Der hell-lila Farbton sei vermehrt in den sozialen Medien präsent und habe eine fröhliche und entspannende Wirkung.
Katrin Trautwein bleibt von all dem unbeeindruckt: «Eine Farbe des Jahres zu benennen, ist wohl ein Versuch, den Konsum zu beschleunigen. Wenn ein Raum wohltuend wirkt, dann bleibt er das, auch wenn gerade eine andere Farbe en vogue ist.»
Teuer ist nicht unbedingt besser
Trotzdem kann man mit den vermeintlichen Trend-Farben reichlich Geld verdienen. So macht das etwa das derzeitige In-Unternehmen «Farrow & Ball». Ihre Farben sollen der Inbegriff des englischen Landhausstils sein. Fünf Liter des gräulichen «Elefant’s Breath» – ausreichend für siebzig Quadratmeter – kosten rund 200 Franken. Zum Vergleich: Die billigste Farbe aus dem Baumarkt gibt es für unter 10 Franken.
«Viele Preisunterschiede ergeben sich durch einen höheren Marketing-Aufwand, nicht unbedingt durch hochwertigere Pigmente», sagt aber die Chemikerin Trautwein. Die Konsumenten könnten das selbst feststellen: Wenn alle Farbtöne einer Marke gleich viel kosten, stimmt etwas nicht. Denn wie Trautwein erklärt: «Pigmente sind unterschiedlich wertvoll.»
Bei hochwertigen Produkten sollte sich das deshalb auch in unterschiedlichen Preisen für unterschiedliche Farben widerspiegeln. «Bei uns in der Manufaktur zahlt man etwa für ein spezielles Blau rund 500 Franken und für einen bestimmten Weiss-Ton 222 Franken.»
Auf die inneren Werte kommt es an
Die Zutaten für die 25 unterschiedlichen Schattierungen von Weiss klingen dennoch edel: Porzellanerde, fein vermahlener Carrara-Marmor oder die Kreide, die in der Champagne unter den Weingärten liegt. Gemäss Trautwein sollte man jedoch vor allem nach einem Inhaltsstoff Ausschau halten: Titandioxid. Er ist nämlich ein optischer Flachmacher. «Das Licht wird damit quasi abgeblockt und gestreut», sagt Trautwein. Keine positiven Eigenschaften in Wandfarben, die dem Raum Tiefe geben sollen.
Reicht es also aus, einfach auf günstige Dispersionsfarben zu setzen? Jein. Denn auch da gibt es laut Expertinnen und Experten einige Nachteile. Dispersionsfarben decken nämlich häufig schlechter und halten weniger lang. Auch verkleben sie häufig mit der Oberfläche.
Hinzu kommt, dass man ihnen Stoffe gegen Bakterien oder Pilze zusetzen muss, damit der geöffnete Farbeimer nicht zum Biotop wird. Das allerdings ist manchen Kundinnen und Kunden unangenehm. Die Zahl der Allergiker wächst. Für sie haben Farbenhersteller deshalb E.L.F-Produkte lanciert: Emissionsminimiert, lösemittelfrei, frei von Weichmachern und zum Teil auch ohne Konservierungsstoffe.
Am besten fragt man also einfach bei Malermeister und Malermeisterinnen nach. Sie können heute auch spezifische Wünsche erfüllen. So gibt es inzwischen selbst Wandfarben mit Silberionen, die antibakteriell wirken – beliebt in Spitälern oder Altersheimen. Und vielleicht auch bald beliebt in regulären Wohnzimmern.