Schweizer Literaturpreis – «ferdammt nomal»: Der Aargauer Dominic Oppliger wird ausgezeichnet
Der wichtigste Schweizer Literaturpreis, der Grand Prix Literatur, geht in den Aargau: Der Schriftsteller und Dichter Klaus Merz wurde – endlich – für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Der Autor der «leisen Töne» wird vom Bundesamt für Kultur (Bak) gewürdigt, der Preis ist mit 40’000 Franken dotiert.
Doch auch die lauten Töne erhalten Anerkennung. Der Aargauer Autor Dominic Oppliger erhält einen der mit 25’000 Franken dotierten Literaturpreise für seinen «eigensinnigen wie poetischen Roman», so die Laudatio.
«Giftland» heisst der Roman von Dominic Oppliger, der in der Reihe «edition spoken skript» des Luzerner Verlags «Der gesunde Menschenversand» erschienen ist. Es ist ein nüchterner Blick auf ein Musikerleben, in dem sogar die Tournee zur Routine wird. In dem Tag für Tag «winen schluk abgschtandnix coci» schmeckt. Denn Oppliger schreibt auf Mundart. Die Jury lobt: «Eine mitreissende Sinnsuche voll Sehnsucht, Witz und Hoffnung, ein literarisches Roadmovie auf Schweizerdeutsch, ein Sound, der lange im Ohr bleibt.»
Aargauer Dialekt und ein Sound für alle
Dominic Oppliger (1983) ist im Aargau aufgewachsen, für das Studium an der Kunsthochschule zog er nach Zürich. Als Musiker tourte Dominic Oppliger mit einer Schweizer Band selbst durch die USA. Er kennt das Heimweh und die Ernüchterung, wenn Weide, Schafherde, See – und Böschung um Böschung am Autofenster vorbeiziehen. Es sei dennoch kein biografischer Text, sagt Oppliger, aber: «Es sind Orte, die ich kenne, Figurenkonstellationen, die mir so oder ähnlich begegnet sind.»
Oppliger findet für die rollende Monotonie einen eigenen Sound. Er schreibt auf Mundart und zwar nicht nach einer entlehnten Grammatik, sondern so, wie man spricht. Wörter wachsen zusammen, Silben werden gestreckt und gedehnt. «Die Buchstabenfolge muss den Klang ergeben», so Oppliger.
Aus der Euphorie wird zum Beispiel die «oifforii». Das klingt manchmal niedlich, aber beim Lesen kitzelt die Zunge am Gaumen, die Wörter liegen bereit, um ausgesprochen zu werden. Das funktioniert erstaunlicherweise in fast allen Dialekten: «Es ist eigentlich ein Gemisch, irgendwo zwischen Zürich und dem Aargau. Ostschweizer können meine Texte fast eins zu eins so lesen, wie ich sie geschrieben habe. Berner und Basler haben es vermutlich am schwierigsten», so Oppliger.
Der Roman «giftland» erzählt vom Rockstarleben
In «giftland» geht es um das ungeschönte Rockstarleben: Sämi ist mit seiner Band auf USA-Tournee, der Traum eines jeden Mittelklassemusikers, «ferdammt nomal». Sämi träumt jedoch lieber von der hübschen Kellnerin und von Zigaretten, die sich beim Rauchen wieder zusammensetzen. Von Utah nach Ohio, New York und Georgia reist die Band in einem zu kleinen Van. Doch statt um Dosenbier und Groupies drehen sich die Gedanken um faden Kaffee und eingeschlafene Füsse auf der Rückbank.
Es liegt in der Sache, dass ein Roadtrip irgendwo hinführen muss. Und so hält auch Sämi (ebenso wie die Leserin) die ewige Monotonie nicht aus. Es hat dann etwas von Mani Matters Zugreisenden, als Schlagzeuger Sämi erkennt, wie man aus dem Trott wieder einen Drive macht, wenn er «tänkt, dass im vorwärzraase alles rükwärzlauft, und weiss, dass im rückwärzraase alles forwärzlauft».
Sämi durchbricht seinen eingespielten Rhythmus, indem er die Notenfolge umdreht. Er setzt einen Fuss hinter den andern. Er macht kurzum einmal alles «ferchert» – also wortwörtlich rückwärts. Sämis skurriler Einfall gibt dem Roman auf halber Strecke eine überraschende Wendung. Wenn man in einer Sackgasse steckt, muss man einen Schritt zurück machen, um vorwärts zu kommen. «Er isch uf usa tour / ferdammt nomal.»