
Wokeness und Journalismus: Die britische Bestsellerautorin Natasha Brown schreibt eine Satire
Zugegeben, die englische Zeitungslandschaft ist ein extremes Beispiel für erschreckende Skrupellosigkeiten im Journalismus. Was Natasha Brown, der Shootingstar der britischen Literatur, in ihrem neuen Roman demontiert, ist aber weit über England hinaus bedenkenswert. Wie mit einem scharfen Skalpell schneidet sie Schicht um Schicht unter die behauptete Wahrheit einer ambitionierten, aber letztlich manipulativen Reportage.
Rund um einen spektakulären Raub eines Goldbarrens und einen Beinahemord charakterisiert Hannah mit eingängigen Klischees eine ihre Aufstiegschance witternde journalistische Freelancerin, einen Banker, eine Antiwokeness-Kolumnistin und anarchistische Weltverbesserer. Daraus wird eine zur Sensation hochgeschriebene Artikelserie. Ähnlich wie im Fall des betrügerischen Claas Relotius frisst das Publikum solches nur allzu gerne.
Natasha Brown demontiert nach und nach journalistische Methode und Pseudowahrheiten – und dreht den modischen Zeitgeist mit Wokeness und Konservatismus auf den Kopf. Der Blick hinter die Schlagzeile zeigt ein komplett anderes Bild und eine zynische Realität, die von Klassengegensätzen und mühsamstem Aufstiegs- und Selbstbehauptungskampf geprägt ist. Ein raffiniertes, kluges und spannendes Lesevergnügen.