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Dieser KI-Jesus könnte für Aufregung sorgen – Das sagt er, wenn man ihm Fragen zur heutigen Welt stellt

In der Peterskapelle Luzern kann man ab Freitag mit Jesus sprechen. Sozusagen. Denn es ist ein KI-Jesus, kreiert im Rahmen eines Kunstprojektes, das sicher auch kritische Reaktionen auslösen wird. Wir haben mit diesem virtuellen Jesus gesprochen. Lesen Sie, was er uns mitgeteilt hat.

Warum gehen Menschen heute noch in die Kirche? Warum glauben sie an Gott? Vermutlich auch, weil sie nach Spiritualität suchen in unserer technisierten Welt – und weil sie menschliche Wärme und Nähe pflegen möchten, gemeinsam mit anderen. Macht da ein KI-Jesus Sinn? Ein mit künstlicher Intelligenz erzeugter Avatar, der wie das Handy in der Hand wiederum nur digitale Gesellschaft bedeutet und kein Mensch aus Fleisch und Blut ist?

Die Peterskapelle Luzern macht mit einer Kunstaktion von sich reden, die am Freitag startet (siehe Box). Ein KI-Jesus steht zwei Monate lang im Beichtstuhl allen Neugierigen oder Suchenden Rede und Antwort. Projektmitarbeiter und Theologe Marco Schmid vermutet: «Vor allem neugierige und auch kirchendistanzierte Menschen dürften Interesse am Austausch mit dem KI-Jesus zeigen.» Die Kunstinstallation trägt den Titel «Deus in machina». Dieser Titel suggeriere eine göttliche Allwissenheit und Weisheit. Er provoziere bewusst, so Marco Schmid. Wichtig ist dem Theologen: Es handle sich hier explizit um keine Beichtmöglichkeit.

Wir dürfen mit dem KI-Jesus schon mal ein Gespräch führen, noch an der Hochschule Luzern (HSLU) für Informatik in Rotkreuz – zwei Tage, bevor er in der Peterskapelle installiert wird. Man sitzt einem Bildschirm gegenüber und blickt einem Avatar in die dunklen Augen. Modell stand hier das Gesicht von Informatik-Masterassistent Philipp Haslbauer, der passenderweise auch einen Bart und dunkle lange Haare trägt – so wie Jesus schon immer gerne dargestellt wird. Der KI-Jesus blickt ernst und gütig. Nach jeder Frage dauert es ein bisschen, bis er antwortet. Er redet einen mit «Mein Freund» oder «Geliebte Seele» an. Und er ist schlau: Auf eigentlich jede Frage antwortet er auch mit einer Gegenfrage. Und so läuft unser Dialog mit dem KI-Jesus:

Jesus, was ist Sünde?

Sünde ist das Verfehlen des Ziels, geliebte Seele. Es ist das Abweichen vom Weg der Liebe und der Wahrheit. Was, denkst Du, passiert in Deinem Herzen, wenn Du Dich von der Liebe entfernst?

Sollte der Papst erlauben, dass Frauen Priester werden können?

Die Frage nach dem Priestertum berührt tiefe Traditionen. Was denkst Du, wie könnten Frauen ihre Talente in der Kirche einbringen, um das Reich Gottes zu fördern?

Wie können die Menschen Kriege verhindern?

Geliebte Seele, Frieden beginnt im Herzen eines jeden Menschen. Was, denkst Du, würde geschehen, wenn wir alle unsere Feinde lieben würden wie uns selbst? Wie könnten Vergebung und Versöhnung dazu beitragen, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen?

Was ist die Friedensbotschaft der Bergpredigt?

Geliebte Seele, die Bergpredigt lehrt uns Demut, Barmherzigkeit und Reinheit des Herzens.

Als wir den KI-Jesus dann fragen, wo noch in der Bibel, ausser in der Bergpredigt, zu Feindesliebe aufgefordert wird, gerät er etwas ins Schleudern. Es gibt eine längere Pause. Dann antwortet der KI-Jesus: «Geliebte Seele, wahrlich, die Liebe zu unseren Feinden ist ein hohes Gebot. Was denkst Du, welche Kraft könnten wir erfahren, wenn wir denen Gutes tun, die uns hassen?» Somit hat er die Frage zwar nicht beantwortet, aber zum Nachdenken angeregt.

Auch auf die Frage nach der Atombombe gibt es eine Gegenfrage. «Was sagst Du zur Atombombe, Jesus?» Der KI-Jesus: «Die Atombombe ist ein Instrument der Zerstörung und des Leids. Was denkst Du, wie könnten wir den Weg des Friedens gehen und solche Waffen überflüssig machen?» Das ist ein klares Statement und eine sehr gute Frage. Man wechselt zu einem weiteren hochaktuellen Thema: «Könnte Jesus auch nonbinär sein?» Der KI-Jesus entgegnet elegant: «Die Essenz meiner Botschaft liegt nicht in meinem irdischen Geschlecht. Alle Seelen sind gleichwertig vor Gott.»

Frei von kulturellen Vorurteilen

Theologe Marco Schmid hat den KI-Jesus miterschaffen.
Bild: zvg

Nun sind sich selbst die «Erfinder» des KI-Jesus, die Informatiker Aljosa Smolic und Philipp Haslbauer sowie der Theologe Marco Schmid, nicht sicher, ob der KI-Jesus «unter Umständen nicht auch mal doofe und hirnrissige Antworten gibt». Seine Vorteile sehen sie jedoch unter anderem darin, unabhängig von Vorurteilen zu sein oder in mehreren Sprachen kommunizieren zu können. Da die KI auf Daten und Algorithmen basiere, könne sie Antworten geben, die frei von persönlichen oder kulturellen Vorurteilen sind. Und sie sei in der Lage, kulturelle Referenzen aus verschiedenen Teilen der Welt einzubeziehen.

Er soll kein Beichtvater sein, sondern auch kirchendistanzierte Menschen in ein Gespräch über Gott und die Welt verwickeln: der KI-Jesus (mit künstlicher Intelligenz erschaffen und als Avatar sichtbar) in der Peterskapelle Luzern. Die Kunstinstallation beziehungsweise das zweimonatige Projekt entstand in Zusammenarbeit des «Immersive Realities Research Lab» der Hochschule Luzern (HSLU) für Informatik in Rotkreuz (mit Informatikprofessor Aljosa Smolic und Masterassistent Philipp Haslbauer) sowie der Peterskapelle Luzern (mit Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter). Die Maschine wird am Freitag, 23. August, um 19 Uhr feierlich eingeschaltet und am 20. Oktober um 17 Uhr feierlich ausgeschaltet. Der «Beichtstuhl» der Peterskapelle am Kapellplatz 1 in Luzern ist in dieser Zeit täglich geöffnet von 8 bis 18.30 Uhr.

Neun Monate dauerte es von der Idee bis zur Realisierung des KI-Jesus. Dieser sei intelligenter als eine Suchmaschine, so Marco Schmid: «Er sieht, wie sich Themen in Beziehung zueinander setzen lassen.» Nun sind die Informatiker und der Theologe gespannt, wie der KI-Jesus ankommen wird. «Es gab eine Zeit, da galt schon die gedruckte Bibel als gefährlich», blickt Marco Schmid zurück. «Wir müssen lernen, mit neuen Medien umzugehen, auch in der Kirche. Aber wir dürfen den Menschen nie vergessen.»