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Luzerner Regierungsrat will Bettelverbot lockern

Wegen eines Gerichtsurteils muss der Kanton Luzern sein Recht anpassen – organisiertes und belästigendes Betteln bleibt weiter verboten.

Im Kanton Luzern soll das absolute Bettelverbot gelockert werden. Dies beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat. Er reagiert damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Der EGMR war 2021 zum Schluss gekommen, dass die Verurteilung einer Bettlerin im Kanton Genf nicht zulässig gewesen sei. Ein absolutes Bettelverbot verstosse gegen das Recht, öffentlich um Hilfe zu bitten und verhindere eine Interessensabwägung im Einzelfall.

Das Argument, dass hinter Bettlerinnen und Bettlern oft kriminelle Banden stehen, liess das Gericht nicht gelten. Die Bestrafung der Opfer sei keine geeignete Massnahme, um die organisierte Kriminalität und den Menschenhandel zu bekämpfen.

Damit sei auch das umfassende Bettelverbot im Kanton Luzern nicht mehr zulässig, erklärte der Regierungsrat in seiner am Montag publizierten Botschaft an den Kantonsrat. Ein teilweises Bettelverbot zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei aber weiterhin möglich.

Neben Bankomat und auf Spielplätzen verboten

Neu soll das Betteln grundsätzlich erlaubt sein. Die neue Gesetzesnorm sieht aber Einschränkungen vor. Verboten sein soll aggressives oder aufdringliches Betteln. Auch das Betteln an bestimmten Orten – genannt werden in der Botschaft etwa Friedhöfe, Schulanlagen, Spielplätze, Ein- und Ausgänge, Haltestellen oder Standorte von Geldautomaten – soll nicht zulässig sein. Der Regierungsrat bezeichnete diese Lösung als «Signal an international agierende Organisationen, dass organisiertes Betteln nicht toleriert wird und sich Betteltourismus nicht lohnt.»

Weitergehende Einschränkungen zugunsten von Passanten, Anwohnern oder Ladenbesitzern seien nicht zulässig. Das normale Betteln, «namentlich durch passives Sitzen oder durch massvolles Ansprechen von Drittpersonen, bei dem die Beseitigung einer persönlichen Notlage im Vordergrund steht», sei grundsätzlich zu akzeptieren. «Denn es gibt kein Recht, im öffentlichen Raum nicht mit Unangenehmem
konfrontiert zu werden», so die Regierung. 

Bisher gabs 200 Anzeigen jährlich gegen Bettler

In den letzten zehn Jahren sind bei der Staatsanwaltschaft jährlich jeweils rund 200 Strafanzeigen – mehrheitlich von der Luzerner Polizei-  wegen «unerlaubtem Betteln» eingegangen, führt die Regierung in ihrer Botschaft aus. Jährlich werden deswegen rund 110 Strafbefehle ausgestellt. In lediglich zwei Fällen wurde gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben

Die Vernehmlassung zur Neuregelung des Bettelns hatte der Kanton Luzern bereits 2022 durchgeführt, aber danach abgewartet, was das Bundesgericht zu einer Beschwerde gegen eine Gesetzesänderung in Basel-Stadt sagte. Basel hatte eine ähnliche Regelung wie die beabsichtigte Luzerner Lösung beschlossen, aber zusätzlich das Betteln in Parks verbieten wollen. Dies verhinderte das Bundesgericht, hiess aber ein Verbot von organisiertem und aufdringlichem Betteln und das Einhalten eines Abstandes von neuralgischen Punkten gut. (sda/mam)