Amokfahrt auf dem Weihnachtsmarkt mit fünf Toten: Was wir wissen und was nicht
Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist am Freitagabend ein Auto in eine Menschenmenge gefahren. Über den Verdächtigen wird immer mehr bekannt, auch über sein mögliches Motiv.
Was wir wissen
Ein Auto fuhr am frühen Freitagabend auf dem Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in eine Menschengruppe. Die Fahrt über den Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Platz habe rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert, sagte Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg.
Die Zahl der Toten stieg auf fünf, darunter auch ein neunjähriges Kind. Das teilte der Leiter der Staatsanwaltschaft Magdeburg, Horst Walter Nopens, mit. Man habe ausserdem 200 Verletzte zu beklagen, davon viele schwerst und schwer verletzt.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident, Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem «menschenverachtenden Anschlag». Die Polizei äusserte sich zunächst zurückhaltend zu der Frage, ob sie die Tat als Anschlag wertet. Man sei noch in der Klärung, hiess es. Der Fahrer wurde nach Angaben Haseloffs festgenommen und wird nach offiziellen Angaben verhört.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt gegen den mutmasslichen Täter bislang wegen fünffachen Mordes. Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens sagte, lautet der Tatvorwurf darüber hinaus versuchter Mord in 200 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Bei dem Tatverdächtigen Taleb A. handelt es sich um einen 50-Jährigen aus Saudi-Arabien, der erstmals 2006 nach Deutschland gekommen ist. Nach Angaben von Landesinnenministerin Tamara Zieschang lebt der Mann in Bernburg und hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel.
Nach dpa-Informationen stellte A. im Februar 2016 einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter.
Das Motiv war möglicherweise Unzufriedenheit mit dem Umgang von Flüchtlingen aus Saudi-Arabien in Deutschland. Das sei der gegenwärtige Stand der Ermittlungen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt.
A. arbeitete als Facharzt für Psychiatrie in Sachsen-Anhalt. Wie eine Sprecherin der Betreibergesellschaft Salus auf Anfrage mitteilte, war er als Arzt im Massregelvollzug in Bernburg tätig. Er habe mit suchtkranken Straftätern gearbeitet und sei seit März 2020 in der Einrichtung tätig gewesen. Nach Informationen der dpa hatte das Gesundheitsministerium von Sachsen-Anhalt noch in der Nacht die Personalakte des Mannes angefordert und den Ermittlungsbehörden übergeben.
A. ist nach dpa-Informationen als islamkritischer Aktivist bekannt und bezeichnet sich selbst als Ex-Muslim. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen.
Saudi-Arabien hatte Deutschland vor Taleb A. gewarnt, hiess es aus saudischen Sicherheitskreisen. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert.
Der Mann stammt demnach aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens. Er sei Schiit gewesen. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte über Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.
Es handelt sich nach Polizeiangaben um einen Einzeltäter. Nach derzeitigem Ermittlungsstand könne ein zweiter Täter ausgeschlossen werden, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei hat das Wohnhaus des mutmasslichen Attentäters in Bernburg durchsucht.
Was wir nicht wissen
Der Hintergrund des Vorfalls ist noch unklar.
Unklar ist, wo der Verdächtige aktuell festgehalten wird und wann er einem Haftrichter vorgeführt wird.
Auf einem X-Account mit dem Namen des mutmasslichen Täters wurde um die Zeit des Angriffs noch ein Beitrag veröffentlicht. Ob er diesen selbst veröffentlichte, ihn vorab programmierte oder noch jemand anders Zugriff auf den Account hatte, ist unklar.
Der Generalbundesanwalt hat sich noch nicht geäussert, ob er die Ermittlungen übernimmt. Details zu Durchsuchungen sind nicht bekannt.