Im Grunde sind die Aargauer wie Freibergerpferde – und auch ein Bundesrat kann den Seetaler «Meitli» nicht entkommen
Vor 125 Jahren fand in einem kleinen Bauerndorf im Jura mit dem Namen Saignelégier zum ersten Mal eine dreitägige Veranstaltung mit dem Namen Marché-Concours statt. Was als Selbsthilfe von Freiberger-Züchtern begann, wurde später mit Trachtenumzügen, Velorennen und Produktpräsentationen angereichert. Einiges fiel schnell wieder weg, anderes kam hinzu, der Marché-Concours blieb, erhielt 1904 eine eigene Festhalle und wurde zum grössten Volksfest im Jura.
So ist auch dieses Wochenende die Bevölkerung von Seignelégier wieder temporär von 2500 auf rund 50’000 angestiegen. Ihnen allen dankte OK-Präsident Gérard Queloz in seiner Festansprache am Sonntagmittag. Es sei erstaunlich, dass es den Anlass nach 125 Jahren immer noch gebe – und das sei nur dank grossem Enthusiasmus und unbezifferbarer Freiwilligenarbeit möglich. «Das Pferd ist heute das Wahrzeichen des Juras in der ganzen Schweiz und in vielen Regionen Europas», unterstrich Queloz die Bedeutung. Es brauche weiterhin Mut und Kühnheit, wie es die Pioniere bewiesen hätten, um die Tradition fortzuführen.
«Fleissig, weise, hilfsbereit»: Hürzeler vergleicht Aargauer mit Freibergern
Einen schönen Teil dazu trug an diesem Jubiläumswochenende der Gastkanton Aargau mit rund 1500 Mitgereisten und 160 Pferden bei. Landammann Alex Hürzeler betonte in seiner Rede, wie ähnlich sich die Freibergerpferde und die Aargauerinnen und Aargauer seien. Liebenswürdig, gelehrig, ruhig, effizient, fleissig und trittsicher.
Dies seien laut Handbuch die Charaktereigenschaften des Freibergpferdes. «Und vor 60 beschrieb der Aargauer Schriftsteller Charles Tschopp die typischen Eigenschaften der Aargauer mit den Worten: weise, korrekt, fleissig, gefasst und hilfsbereit.» Deshalb habe man die Einladung liebend gerne angenommen.
Minuten später vermittelten 22 Aargauer Formationen am grossen Festumzug auf der Pferderennbahn den Eindruck, dass sich an diesem Charakter gar nicht so viel geändert haben könnte. Einige Symbolbilder dafür, die von Pferden am begeisterten Publikum vorbeigezogen wurden, seien hier aufgezählt.
Da war die Kantonspolizei Aargau, die bewies, dass sie nicht nur beim Üben mit der Pistole das Ziel, sondern auch beim Ernsteinsatz mit Blasinstrumenten die Töne hervorragend trifft; die Aargauer Landwirtschaft, die einen Wagen voll der 11 Prozent Rüebli, die sie jährlich für die Schweiz anbaut, verteilte; die Aargauer Pferdezuchtgenossenschaften, die diesen grossen Auftritt mit ihren zuverlässigen Tieren überhaupt erst ermöglicht hatten.
So ganz typisch Aargau wäre der Umzug damit noch nicht gewesen. Das Salz hätte zwar nicht gefehlt, das wurde den Gästen des Festbanketts am Mittag in Form einer Dose der Rheinfelder Salinen, samt ins Holz gebranntem Typisch-Aargau-Emblem, mit auf den Weg gegeben. Was aber noch gefehlt hätte, wäre diese eine Prise freigeistiger Verspieltheit gewesen, die den Aargau gelegentlich davor bewahrt, ganz der Strebsamkeit zu verfallen.
Seetaler «Meitli» fangen Bundesrat Guy Parmelin ein
Es war die Nummer 8, die Meitlisonntag-Vereinigung aus Meisterschwanden und Fahrwangen, die diesen letzten Beweis erbrachten. Die schwarz gekleideten Frauen nehmen gerne Männer gefangen. Auf alle Zeiten dazu berechtigt hat sie ihr beherztes Eingreifen im 2. Villmergerkrieg von 1712, dank diesem dürfen sie über das «Mannevolch» regieren dürfen. Offiziell nur an drei Tagen im Januar, inoffiziell aber auch an jedem Umzug, und diesmal war es ein Mann mit dem Namen Guy Parmelin und der laminierten Reservationstafel «Conseil Féderal» unter dem Tribünensitz.
Kurz wollte sich Parmelin genieren, er habe es mit dem Rücken, doch ein paar Worte Seetaler Überzeugungskraft später lag der Bundesrat grinsend im Netz. Als Ehrengast den Bundesrat gefangen nehmen: Mehr hätte man sich für den Leitsatz «Typisch Aargau» wirklich nicht erträumen können. Oder wie es Markus Dieth sagte, kurz bevor er in den Car nach Hause stieg: «Ich glaube, wir haben wirklich gezeigt, was der Aargau alles bieten kann.»