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Staatsanwältin fordert Höchststrafe für Dominique Pelicot – und so reagiert der Hauptangeklagte im Monsterprozess

Am Ende des Massenvergewaltigungsprozesses in Avignon verlangt die Staatsanwaltschaft für den Gatten Dominique Pelicot die Höchststrafe. Auch die französische Regierung wird aktiv.

«20 Jahre Haft, das ist viel und zugleich zu wenig, wenn man auf die Schwere der Tat abstellt.» Mit dieser Feststellung begründete Staatsanwältin Laure Chabaud am Montag ihren Antrag, den Hauptangeklagten Dominique Pelicot mit der Höchststrafe von zwanzig Jahren zu bestrafen. Der heute 71-jährige Ex-Elektroingenieur und Familienvater muss sich vor dem Strafgericht in Avignon wegen jahrelanger Vergewaltigung seiner Frau Gisèle Pelicot mit Komplizen verantworten.

Während fast zehn Jahren, von 2011 bis 2020, soll er seine langjährige Gattin abends eingeschläfert und dann ohne ihr Wissen und mit unbekannten Männern – die er per Internet kontaktierte – mindestens 200 Mal missbraucht haben.

Laut der Staatsanwältin habe Pelicot bei der Befriedigung seiner perversen Lüste «keinerlei Grenzen oder Hemmungen» gekannt, habe er sich doch an seiner eigenen Frau vergangen, mit der er bis zur Scheidung im August 50 Jahre lang zusammengelebt hatte.

Dominique Pelicot nahm den Antrag ohne sichtbare Reaktion hin. Auch er schien über die Strafhöhe keineswegs erstaunt. Beim Prozessbeginn im September hatte er alles gestanden: «Ich bin ein Vergewaltiger und schuldig. Ich habe alles verdorben, alles verloren. Ich werde dafür bezahlen müssen.»

Sollte das Gericht Pelicot Mitte Dezember zur Höchststrafe verurteilen, käme er frühestens 2037 – nach Absitzen von zwei Dritteln der Strafe – mit 85 Jahren frei. Die Staatsanwaltschaft fordert zudem eine Neubeurteilung seiner Gefährlichkeit. Darauf beruhend könnte das Gericht eine «Sicherheitsverwahrung» anordnen, die nach Strafablauf jedes Jahr verlängert werden könnte.

Für die übrigen 50 Angeklagten, die zwischen 26 und 72 Jahre alt sind und aus allen sozialen Schichten stammen, wird die Staatsanwaltschaft bis am Mittwoch einen Strafantrag nach dem anderen stellen. Einzelnen Männern, die den Tatort in Pelicots Haus in der Provence-Gemeinde Mazan mehrmals aufgesucht und Gisèle Pelicot vergewaltigt hatten, droht ebenfalls die Höchststrafe. Andere, die glaubhaft machen konnten, dass sie unter dem «Einfluss» von Dominique Pelicot gehandelt hatten, könnten geringere Strafen erhalten.

Die französischen Livemedien berichteten am Montag in Direktschaltungen über den Strafantrag. In Diskussionssendungen zeigten sich Feministinnen erfreut, dass dieser zufällig am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen erfolge. Ex-Frauenministerin Marlène Schiappa erklärte, dieser Prozess und die zu erwartende Massenverurteilung werde in Frankreich «vieles in Bewegung setzen»; wie von Gisèle Pelicot verlangt werde «die Scham die Seite wechseln».

Anzeigen vom Spitalbett aus ermöglichen

Premierminister Michel Barnier gab mehrere Massnahmen bekannt. Vergewaltigungsopfer sollen in Zukunft schon im Spital Anzeige gegen ihren Peiniger erstatten können. Die Polizei muss sich dafür ans Krankenbett begeben und kann die Aussage nicht mehr an der Wache aufnehmen. Ein solches Dispositiv soll bis Ende 2025 in 377 Spitälern Frankreichs eingerichtet werden.

Barnier stockte zudem die Nothilfe für Frauen, die den Haushalt wegen eines gewalttätigen Mannes verlassen hatten, von 13 auf 20 Millionen Euro auf. In Frauenhäusern untergebracht, sollen diese Frauen 800 Euro erhalten. Generell sollen Polizisten alle drei Jahre speziell für die Aufnahme von Vergewaltigungsanzeigen ausgebildet werden. In vier von fünf Fällen werden diese Verfahren heute noch mangels Beweisen eingestellt.

Die rasche Beweisaufnahme spielt gerade im Fall von Betäubungen durch Schlafmittel, Alkohol oder Drogen eine wichtige Rolle. Die Senatorin Sandrine Josso, der ein Abgeordneter Ecstasy ins Champagnerglas geschüttet hatte, erklärte sich froh über die ergriffenen Massnahmen, hält sie aber für ungenügend. Einschläferung komme selbst in der Intimität des Familienlebens häufiger vor, als man meine.

Pelicots Tochter Caroline hat deshalb einen Verein namens «#Mendorspas» (Schläfere mich nicht ein) gegründet. Sie behauptet, Dominique Pelicot habe sie im Alter von 14 Jahren selber missbraucht. Nacktfotos genügten der Justiz aber nicht, um ein zweites Verfahren gegen den Familienvater zu eröffnen.