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Der TV Wettingen gewinnt das Aargauer Kantonalturnfest und wird für drei atemberaubende Auftritte belohnt

Der Sieger des Aargauer Kantonalturnfests heisst TV Wettingen. Die Vorstellung am Vereinswettkampf vor Heimpublikum wird zur turnerischen Gala und zu Recht mit der Maximalnote belohnt. 

Als der letzte Sprung des Tages sicher gestanden war. Als Druck, Nervosität und Erwartungen abfielen, da hörten die Turnerinnen und Turner des TV Wettingen gar nicht mehr auf, sich zu umarmen.

Noch wussten sie da nicht, dass ihnen der perfekte Wettkampf gelungen war. Noch fehlte eine letzte Zehn auf dem Notenblatt, nachdem es die Maximalnote zuvor für die Übungen am Sprung und am Boden gegeben hatte.

Doch das war in diesem Moment zweitrangig. Die Siegesfeier kam später. In diesem kurzen Augenblick dominierte die Erleichterung darüber, das Möglichste getan zu haben – mit drei Übungen nahe an der Perfektion.

Würde man in eine Schachtel mit Superlativen greifen, es würde wohl fast jeder zu den Auftritten passen. Doch manchmal reicht ein einziges Wort, das gar nicht gesteigert werden muss: atem­beraubend. Denn genau so war das Gezeigte.

Natürlich war das irgendwo in den Köpfen

Die zahlreichen Zuschauer hatten die Wettinger schon mit der ersten Übung am Sprung verzückt. Doch wie gross muss die Nervosität gewesen sein? Aufgrund der Ausgangslage, als alle von der Revanche sprachen. Am Eidgenössischen Turnfest 2019 in Aarau wurde der TV Wettingen vom TV Wangen entthront. Um einen Hauch von Nichts. Oder in Zahlen: um 0,02 Punkte.

Ausgerechnet dieser TV Wangen war nun als Gast nach Wettingen gekommen. Fünfmal in Serie und immer seit 1993 hiess der Sieger an einem Aargauer Kantonalturnfest TV Wettingen. Und die Frage lautete natürlich: Können die Schwyzer Turner auch diese Serie beenden?

Logisch war das irgendwo in den Köpfen der Wettinger, als sie aufgereiht zusahen, wie der BTV Luzern am Sprung eine beeindruckende Darbietung zeigte. Doch auch das konnte sie nicht beirren.

Fehlerlos, ausdrucksstark und spektakulär sprangen die Turnerinnen und Turner des TV Wettingen kurze Zeit später selbst – und landeten sicher. So, als ob es den Druck gar nicht gegeben hätte. Ganz im Stile eines Champions, der die Stärkeverhältnisse im Vereinsturnern zurechtrücken wollte. Vor allem aber mit grosser Leidenschaft und viel Überzeugung.

Die Maximalnote gabs letztmals am Eidgenössischen 2007

Als dann Oberturnerin Sina Stocker einige Minuten später das Notenblatt für den Sprung unterschrieb und per ausgestreckten Fingern ihren Kolleginnen und Kollegen die Zehn signalisierte, war der Grundstein gelegt für einen Wettkampf ohne Grenzen, der am Ende perfekt sein würde.

«30 Punkte – unglaublich», sagt Sina Stocker. 2007 am Eidgenössischen in Frauenfeld ist dem TV Wettingen schon einmal ein perfekter Wettkampf gelungen. 15 Jahre später turnt eine andere Generation. «Es macht mich unglaublich stolz, dass wir zeigen konnten, dass auch wir das können», sagt Stocker und ergänzt:

«Es ist eine wunderbare Belohnung für unzählige Trainingsstunden, die nicht immer einfach waren. Der Erfolg ist eine Erlösung für alle.»

Es sind Worte wie diese, die erahnen lassen, wir schwierig es zuweilen sein kann, den riesigen Erwartungen – entstanden in der Vergangenheit – standzuhalten. Wer für den TV Wettingen turnt, weiss, woran sie oder er gemessen wird. Vielleicht war die wahre Meisterleistung – erst recht mit der Revanche vor Augen – darum keine turnerische, sondern eine im Kopf.

Gänsehaut und Tränen in den Augen

Dass das turnerische Potenzial für den Festssieg vorhanden ist, war kein Geheimnis. Dass der Triumph das Ziel war, ebenso wenig. Nur liegen zwischen dem Wissen und der Erfüllung fast 15 Minuten Turnen auf höchstem Niveau, das keine groben Patzer erlaubt.

Nach dem gelungenen Einstand am Sprung begeisterte der TV Wettingen eine Stunde später am Boden. Mit einer eleganten und anspruchsvollen Vorführung, die immer wieder mit Maximalschwierigkeiten verzückte. Und als dann nochmals eine Stunde später an den Schaukelringen ebenfalls eine Übung gelang, die sowohl mit der geturnten Höhe wie auch bei der Ausführung ­begeisterte, war die kollektive Freude ansteckend.

«Ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen», sagt Sina Stocker. «Und ich war in diesem Moment nicht die Einzige.» Der TV Wettingen ist zum sechsten Mal in Serie Aargauer Turnfestsieger. Und das mit der Maximalnote. Der Druck wird in Zukunft also sicher nicht kleiner werden. Sina Stocker lächelt zufrieden: «Es ist schön, wenn die Herausforderungen bestehen bleiben.»

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