Weniger Medikamente verschwenden durch kleinere Verpackungen: Bürgerliche Gesundheitspolitiker wollen die neuste Sparidee verhindern
Sparen. In Bundesbern ist es das Wort der Stunde. Besondere Aufmerksamkeit gilt derGesundheitspolitik, die seit Jahren darin versagt, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Nun kommt aus der Gesundheitskommission ein Vorstoss, der bei den Medikamenten ansetzt: Es sollen weniger Medikamente im Abfall landen oder in Badezimmerkästchen verstauben. Das Sparpotenzial schätzt auch der Bundesrat als «erheblich» ein.
Brigitte Crottaz, SP-Nationalrätin aus der Waadt, hat den Vorstoss lanciert, der am Donnerstag im Nationalrat debattiert wird. Dieser verlangt, dass zugelassene Medikamente auch in kleineren Verpackungsgrössen verkauft werden. Um die Auswirkungen zu illustrieren, rechnet Crottaz anhand des Medikaments Velcade vor, wie ein beträchtlicher Teil des Medikaments im Abfall landet. Bei der Therapie, die zur Behandlung von Knochenmarkkrebs eingesetzt wird, würdenpro Patientin oder Patient bis zu 13’102.80 Franken verschwendet. Denn die Behandlung erfordert eine andere Dosierung des Mittels, als die Verpackung anbietet.
«Es ist ein Detail, aber ein wichtiges»
Die Ursachen für die Verschwendung sind, neben den ungeeigneten Packungsgrössen, auch die falschen Dosisstärken oder die kurze Haltbarkeit der Medikamente. Dies hat zur Folge, dass bei neuen, teuren Arzneimitteln zur Behandlung von Krebs oder seltenen Krankheiten grosse Mengen verworfen werden. Um dies künftig zu verhindern, verlangt der Vorstoss drei Massnahmen: Erstens soll die potenzielle Verschwendung eines Medikaments bereits bei der Zulassung eines Medikaments berücksichtigt werden und beeinflussen, wie hoch der Preis des Medikaments sein darf.
Zweitens sollen Krankenversicherer, Patientinnen und Patienten oder Leistungserbringer wie Spitäler beantragen können, die Wirtschaftlichkeit oder Zweckmässigkeit von Dosierungsstärken und Packungsgrössen zu überprüfen. Und drittens soll Medizinpersonal Packungsgrössen, Dosisstärken und Darreichungsformen, die im Ausland zugelassen und für Therapien besser geeignet sind, importieren dürfen. Die Versicherer müssen gleichwohl die Kosten übernehmen.
Die Mehrheit der Gesundheitskommission befürwortet das Anliegen, auch der Bundesrat steht dahinter. Auf die Frage, ob sich die Gesundheitskommission nicht in einem Detail verrenne, erklärt Kommissionspräsidentin Barbara Gysi (SP): «Es handelt sich um ein Detail, das stimmt, aber um ein wichtiges.» Denn mit der Zulassung bestimmter ausländischer Produkte sei ein Schritt hin zur Öffnung des Medikamentenmarktes gemacht, ein Schritt zu Parallelimporten.
Warum sich Gesundheitspolitiker sträuben
«Es ist ein Schritt, der auf Verordnungsstufe gemacht werden kann», sagt Gysi. Das heisst: Die Änderung liegt in der Kompetenz des Bundesrates. Doch eine Minderheit in der Kommission, darunter die Zürcher Nationalrätin Regine Sauter (FDP), die auch Präsidentin des Spitalverbands ist, der Berner Nationalrat Lorenz Hess (Mitte), der in mehreren Verwaltungsräten von Krankenkassen sitzt, und der Baselbieter Nationalrat Thomas de Courten (SVP), der den Verband Intergenerika präsidiert, wollen den Vorstoss verhindern.
Auch Cyril Aellen, FDP-Nationalrat aus Genf, ist einer von ihnen. Im Namen der Minderheit erklärt er, dass lockerere Importregeln die Sicherheit und Qualität des Schweizer Systems gefährden könnten. Zudem seien die Änderungen des Heilmittelgesetz, welche die Anforderungen für Parallelimporte herabsetzten, erst vor weniger als fünf Monaten in Kraft. «Nach einer gewissen Zeit sollten wir eine Bilanz ziehen, bevor wir das Gesetz ändern.»
Lösungen, wie weniger Medikamente verschwendet werden könnten, hat die Minderheit nicht. Lieber weist Aellen darauf hin, dass es keine umfassenden Zahlen gebe, die zeigen, wie viele Medikamente weggeworfen würden. Tatsächlich gibt es für die Schweiz keine Studien oder Statistiken, die das Ausmass der Verschwendung aufzeigen.
Ein Bericht des Bundesrates von 2022 bezieht sich auf Zahlen aus England, wonach jährlich Arzneimittel im Wert von 300 Millionen Pfund, also rund 350 Millionen Franken, weggeworfen werden. Als Problemfelder erkennt der Bundesrat in der Überversorgung von Patientinnen und Patienten, wenn Medikamente unnötigerweise verschrieben oder in zu grosser Menge abgegeben werden. Letzterem würde der Vorstoss nun den Riegel schieben.