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«Mein Job als Parteipräsident ist es nicht, Karrierewünsche von Mitgliedern zu erfüllen»

Co-Präsident Cédric Wermuth spricht im zt Talk über den Vorwurf, er als Frauenverhinderer wolle jetzt unbedingt wieder eine SP-Frau im Bundesrat – und sagt, warum er sich die WM-Spiele in Katar gerne anschaut.

Seit Cédric Wermuth Co-Präsident der SP ist, wird er im Zug und auf der Strasse noch häufiger angesprochen. Zurzeit passiert das besonders oft, denn am 7. Dezember soll eine SP-Frau neue Bundesrätin werden. Am Samstag entscheidet sich die Bundeshausfraktion der Partei für ein Zweierticket. Im Rennen sind drei Kandidatinnen: die Berner Regierungsrätin Evi Allemann sowie die Ständerätinnen Eva Herzog (BS) und Elisabeth Baume-Schneider (JR).

Warum muss unbedingt wieder eine Frau in den Bundesrat? «Die SP hat zwei Prinzipien. Wir wechseln ab zwischen Frauen und Männern. Und wenn wir mehr als einen Sitz zu vergeben haben, dann versuchen wir diese einigermassen gleichmässig aufzuteilen. Ehrlicherweise schaffen wir das nicht ganz. In der Bundeshausfraktion sind 60 Prozent Frauen, Männer sind in der Minderheit.» Mit Berset stelle die SP einen Mann in der Landesregierung, Signale, dass er den Posten verlassen wolle, gebe es nicht. «Deshalb war für uns vom ersten Tag an klar, dass es nur eine Frau sein kann, die Sommarugas Position einnimmt. Das hat auch die Fraktion so gesehen. Ich war überrascht über die öffentliche Diskussion.» Für die SP sei das Prinzip, dass einer von zwei SP-Sitzen im Bundesrat von einer Frau eingenommen wird, seit der Wahl von Ruth Dreifuss (1993) unbestritten. «Für eine Partei, die die Gleichstellung in der DNA hat, stand das nie zur Diskussion.»

Ob Daniel Jositsch gewählt worden wäre, wenn ihm die Partei einen Platz auf dem Wahlticket gewährt hätte, sei «eine schwierige Frage», meint Wermuth. «Es gibt viele Politikerinnen und Politiker in Bern, die gerne Bundesrätin oder Bundesrat würden. Es muss aber extrem viel stimmen: die richtige Person muss zum richtigen Zeitpunkt zurücktreten; es braucht die richtige Landesregion und das richtige Geschlecht. Man muss sich also darauf vorbereiten, dass es nicht klappt. Das kann wehtun. Aber mein Job als Parteipräsident ist es nicht, Karrierewünsche von Mitgliedern zu erfüllen. Sondern dafür zu sorgen, dass die Partei den Auftrag der Wählerinnen und Wähler erfüllt.» Zum Kern dieses Auftrags gehöre die Gleichstellungspolitik.  

Was sagt er zur «Blick»-Schlagzeile «Frauenverhinderer will Frauenticket»? Wermuth kandidierte 2019 im Aargau als Ständerat; damals wurde ihm vorgeworfen, er verhindere eine Frau. «Die Aufgabe der Medien ist, mich zu kritisieren. An dem Tag, an dem das nicht mehr passiert, stimmt bei den Medien oder bei mir etwas nicht mehr. Damit muss man leben können.» Vor ihm sei Pascale Bruderer Ständerätin gewesen; die Partei habe damals entschieden, dass auch wieder ein Mann kandidieren dürfe. «Nach meiner Kandidatur ist klar, es kommt mit Gabriela Suter eine Frau als Ständeratskandidatin. Wenn wir eine Position zu vergeben haben, wechseln wir ab; wen wir mehrere Positionen haben, versuchen wir diese im Verhältnis 50:50 aufzuteilen. Die SP Aargau ist immer sehr vorbildlich mit der Geschlechterfrage umgegangen.»

Mit seinen 36 Jahren ist Wermuth beinahe schon ein Polit-Veteran. Kann er sich ein Leben ausserhalb der Politik vorstellen? «Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich politisiere mit Leidenschaft und empfinde es als Privileg, zu politisieren. » Er habe überhaupt nicht vor, damit morgen aufzuhören. Die Arbeit im Parteipräsidium sei ein langer Aufbau. «Das macht man nicht zwei Jahre. Wir (Co-Präsidentin Mattea Meyer und er, die Red.) haben vor, das über zwei Wahlen hinweg zu machen.» Er merke, dass seine Bekanntheit schweizweit noch einmal gestiegen sei. «Ich kann mich im Land nicht mehr bewegen, ohne dass ich erkannt werde. Das ist manchmal schön, manchmal aber auch eine Belastung, vor allem für meine Familie.» Inzwischen werde er überall angesprochen. «Die Menschen sind meistens sehr interessiert, auch wenn sie kritisch sind. Ich mache ganz selten schlechte Erfahrungen.» Trotzdem freue er sich auf ein Leben nach der Politik. Wäre eine zweite Ständeratskandidatur 2027 für ihn ein Thema? «Das schauen wir dann je nach Situation wieder an. Jetzt versuchen wir erst einmal, Gabriela Suter in den Ständerat zu bringen. Wenn sie das schafft, erübrigt sich die Frage für mich.»

Wermuth ist Fussballfan. Schaut er sich die WM-Spiele in Katar an? «Die Fifa wusste, an wen sie die WM vergibt, an eine Monarchie mit riesigen Problemen, wenn es um Menschen- und Frauenrechte geht. Tausende von Arbeitern sind gestorben, das ist ein Skandal», sagt er. «Ich bin aber nicht bereit, die moralische Verantwortung auf die einzelne Zuschauerin und den einzelnen Zuschauer abzuwälzen. Was kann Herr und Frau Schweizerin dafür, dass die WM in Katar stattfindet?» – «Man soll die WM schauen. Aber: Man muss politisch dafür sorgen, dass Organisationen wie die Fifa in die Verantwortung genommen werden.» Wie weit kommt die Schweiz? «Der Viertelfinal liegt drin», glaubt Wermuth.