Lässt Schweiz Migranten unerlaubt durchreisen? Keller-Sutter kontert Kritik aus Deutschland
Tausende Migranten erreichen jede Woche die Schweizer Grenze im sanktgallischen Buchs. Doch nur die wenigsten möchten hier Halt machen. Ziel der zumeist jungen Afghanen sind Nachbarländer wie Deutschland oder Frankreich. Nach einer Kontrolle der Personalien ziehen sie weiter, ohne ein Asylgesuch zu stellen. Das Vorgehen der Schweiz sorgt für Unmut. Gemäss einem Bericht der «NZZ am Sonntag» wertet das deutsche Bundesamt für Migration diese Praxis als Verstoss gegen das Dublin-Abkommen, das die Asylverfahren in Europa regelt.
Die zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter weist diese Kritik zurück. «Wenn die Menschen kein Asylgesuch stellen und weiterreisen, dann gibt es auch kein Dublin-Verfahren», erklärte die Justizministerin in der Tagesschau von SRF am Montagabend. An der Weiterreise könnten die Migrantinnen und Migranten nicht gehindert werden, weil man sie nicht festhalten könne.
Auch deutsche Regierung zeigt sich erstaunt
Keller-Sutter steht nach eigenen Angaben im Kontakt mit der deutschen Bundesinnenministerin. Diese sei «etwas erstaunt» gewesen über die Schlagzeile von letztem Sonntag. Die Bundesrätin versicherte, die Zusammenarbeit sei gut und beide Länder bekämpften gemeinsam die irreguläre Migration.
Damit stärkt Keller-Sutter auch ihren Behörden den Rücken. Die Kantonspolizei St. Gallen hatte betont, ihr fehle für eine Festhaltung der Personen die Rechtsgrundlage. Auch das SEM betonte am Sonntag: «Die Schweiz verletzt weder das Dublin-Assoziierungsabkommen noch das Ausländer- und Integrationsgesetz.» Zudem könnten weder SEM noch Zoll noch Polizei den SBB vorschreiben, wer in Zügen fährt. Besitze jemand ein Billett, gelte die Beförderungspflicht.
Die Asylsituation spitzt sich europaweit zu – auch in der Schweiz. Innert weniger Tage hat der Bund die Asylprognosen zweimal nach oben korrigiert. Dazu kommt die Ungewissheit, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine im Winter in die Schweiz kommen werden. Kritik kommt auch aus dem Parlament. (rwa/sat)