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Millionen von Todesfällen wegen Feinstaub: PSI-Forschende können neu aufzeigen, wie schädliche Partikel entstehen

Ein internationales Team unter Leitung des Paul Scherrer Instituts hat präzise Messungen zur Atmosphärenchemie durchgeführt – mit grossem Erfolg.

Anthropogene organische Aerosole sind vom Menschen ausgestossene kohlenstoffhaltige Partikel in der Luft, die zum Feinstaub zählen. Sie stellen eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit dar und tragen jedes Jahr weltweit zu Millionen von Todesfällen bei. Vor allem in Grossstädten entstehen durch unvollständige Verbrennungsprozesse in Verkehr, Industrie und Haushalten Abgase, aus denen sich die gesundheitsschädlichen, lungengängigen Partikel bilden.

In einer internationalen Studie der Europäischen Organisation für Kernforschung in Genf konnten Forschende unter der Leitung des PSI neue Erkenntnisse über die Entstehung dieser organischen Aerosole gewinnen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass sich solche Schadstoffe oft erst nach mehreren Oxidationsschritten bilden. Daraus folgt, dass die Verschmutzung mit anthropogenem Feinstaub eine grössere regionale Auswirkung hat als bisher angenommen, heisst es in einer Mitteilung.

Das wiederum deutet daraufhin, dass es nicht ausreicht, die direkten Emissionen von Fabriken, Häusern und Fahrzeugen etwa mit Feinstaubfiltern zu reduzieren. Vielmehr müssen auch die Vorläufergase, aus denen sich später schädliche organische Aerosole bilden, kontrolliert werden. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden in der Zeitschrift «Nature Geoscience».

Menschgemachter Feinstaub entsteht langsamer

Die neue Studie zeigt, dass bei frei werdenden Vorläufergase – wie Toluene und Benzene, die etwa aus Autoabgasen und der Verbrennung organischer Materialien stammen, durchlaufen mehrere Oxidationsstufen, bevor sie feste Partikel bilden. «Diese Erkenntnis stellt die bisherige Annahme infrage, Schadstoffe bildeten sich vor allem in der Nähe der Emissionsquellen», sagt Imad El Haddad, Projektleiter der neuen Studie. «Stattdessen zeigt sich, dass anthropogene Aerosole einen längeren Entstehungsprozess durchlaufen, wodurch sich ihre Auswirkungen regional ausdehnen.»

Einzigartige Simulationskammer

Über siebzig Forschende aus Europa und Nordamerika arbeiteten zusammen, um die städtische Luftverschmutzung zu simulieren und die Entwicklung organischer Aerosole zu verfolgen. Die CLOUD-Anlage ist die sauberste Atmosphären-Simulationskammer der Welt und kann Parameter wie Temperatur und Druck äusserst präzise regeln. Für ihre Experimente füllten die Forschenden die Kammer mit einem Gasgemisch, das dem städtischen Smog ähnelt, um die Umwandlung von Abgasen in organische Aerosole zu verfolgen.

Im Schichtbetrieb haben die Forschenden den simulierten Smog kontinuierlich vermessen. Sie bestimmten die Grössenverteilung der sich bildenden Partikel mithilfe der sogenannten Mobilitätsanalyse und ermittelten die molekulare Identität der kondensierenden Dämpfe in Echtzeit per Massenspektrometrie. Ausserdem verfolgten sie genau, welcher Anteil der Vorläufergase und ihrer Produkte an den Wänden der Kammer kondensiert. Dies muss bei Berechnungen für die Schadstoffbildung berücksichtigt werden.

Unterm Strich hat die Studie ergeben, dass sich ein erheblicher Teil der anthropogenen organischen Aerosole nicht nach der ersten Oxidation, sondern erst nach zusätzlichen Oxidationsschritten bildet, was zwischen sechs Stunden und zwei Tagen dauern kann. Das Forschungsteam schätzt, dass diese mehrstufige Oxidation für mehr als 70 Prozent der gesamten anthropogenen organischen Aerosolverschmutzung verantwortlich ist.(az)