Bundesrat Rösti, der Bahnfan: 2,6 Milliarden Franken sollen in den Bahnausbau fliessen – insbesondere in zwei Tunnels
Er wolle zuerst eine persönliche Vorbemerkung machen, beginnt Verkehrsminister Albert Rösti die Medienkonferenz und stellt dann klar: «Ich bin Bahnfan.» Als gebürtiger Kandersteger sei er in der Nähe des Lötschberg-Nordportals aufgewachsen. Ab der vierten Klasse sei er mit dem Zug zur Schule nach Frutigen gefahren, erzählt er. «Im Zug fühle ich mich wohl, das wollte ich einfach sagen.»
Die Vorbemerkung dürfte nicht von ungefähr kommen. Als ehemaliger Präsident der Vereinigung auto-schweiz brachte er bei seiner Wahl in den Bundesrat einen Stallgeruch mit, später befeuerten gewisse Äusserungen und Entscheide des SVP-Bundesrats den Argwohn linker Politiker – unter anderem, dass sich der Bundesrat hinter eine Motion stellte, die den Ausbau der A1 fordert. «Jetzt zeigt er sein wahres Gesicht als Lobbyist der Strasse», sagte die Grüne-Nationalrätin Marionna Schlatter im Mai der «NZZ am Sonntag».
Doch nun gibt Rösti Gegensteuer. Der Bundesrat treibt den Bahnausbau weiter voran: Er beantragt dem Parlament zusätzliche 2,6 Milliarden Franken für Anpassungen und Mehrkosten bei den Ausbauschritten 2025 und 2035, wie er am Mittwoch entschieden hat. Der Betrag soll aus dem Bahninfrastrukturfonds kommen.
Lötschbergtunnel soll ausgebaut werden
Das Geld will der Bundesrat hauptsächlich in zwei Tunnels stecken. Profitieren soll zum einen der Lötschberg-Basistunnel, der voll ausgebaut wird. Heute sind von den 35 Bahnkilometern nur 14 Kilometer zweispurig befahrbar, künftig soll er komplett zweigleisig sein. Ursprünglich war ein Teilausbau angedacht gewesen, doch dafür müsste der Tunnel acht Monate lang gesperrt werden.
Mit dem Vollausbau würden zudem zusätzliche Kapazitäten geschaffen und die Betriebsstabilität erhöht, argumentiert der Bundesrat. Für den Vollausbau werden Investitionskosten von 1,64 Milliarden Franken veranschlagt, bei einem Teilausbau wären es 1,1 Milliarden Franken. Die Inbetriebnahme wäre gemäss Botschaft «voraussichtlich 2034».
Den Vollausbau des Lötschbergtunnels hatte bereits Röstis Vorgängerin Simonetta Sommaruga (SP) vergangenes Jahr vorgeschlagen. Ein anderer Tunnel kam nach der Vernehmlassung unter Rösti neu dazu: Auf der Strecke Lausanne–Genf, zwischen Morges und Perroy, soll eine rund neun Kilometer lange Röhre gebohrt werden. Ursprünglich war der Bau eines dritten Gleises vorgesehen, doch dieses hätte durch dicht besiedeltes Gebiet geführt und wäre mit einem «hohen Einsprache-Risiko» behaftet gewesen, wie der Bundesrat schreibt. Deshalb beantragt er nun fast 1,3 Milliarden Franken für den Tunnel. Es sei ein wichtiges Projekt für die Romandie, betonte Rösti.
Ein weiterer Tunnelbau ist zumindest ein Schrittchen weiter: Wie vom Parlament gefordert, will der Bundesrat die Projektierung des Grimseltunnels ermöglichen. Das Parlament soll 2026 entscheiden, ob die Tunnelbohrmaschinen tatsächlich auffahren.
Freude auch auf linker Seite
Dass der Bundesrat auch unter Rösti den Bahnausbau vorantreibt, kommt gut an.«Es freut mich, dass der ehemalige Autolobbyist und heutige Bundesrat Rösti die verschiedenen Verkehrsarten nicht gegeneinander ausspielt und auch die Bahn weiter ausbaut», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer. Der Berner ist Mitglied des Lötschberg-Komitees, das den Vollausbau fordert und auf dessen Website übrigens auch Albert Rösti noch als Mitglied aufgeführt ist.
FDP-Verkehrspolitiker Wasserfallen – auch er Mitglied des Komitees – ist ebenfalls froh, dass der Ausbau der Bahn weitergeht. «Gute Infrastrukturen sind der Schlüssel eines erfolgreichen Landes.» Es brauche beides, Schiene und Strasse. «Wir wollen alle möglichst wenig Verspätungen und Staus erdulden.»
Und der Ausbau soll weitergehen. 2026 wird der Bundesrat eine Botschaft zu einem nächsten Ausbauschritt vorlegen, der unter anderem den Durchgangsbahnhof Luzern, die Direktverbindung Aarau–Zürich sowie eine Beschleunigung auf der Strecke Winterthur–St.Gallen enthalten soll.
Längerfristig will der Bundesrat den Fokus vor allem auf den Bahnverkehr in den Agglomerationen legen. Auf längeren Strecken möchte er die Bahn dort ausbauen, wo sie gegenüber dem Strassen- und Flugverkehr noch nicht konkurrenzfähig ist. Was auch heisst: Wo der Zug bereits konkurrenzfähig ist, ist ein Ausbau nicht in Sicht.
Als Beispiel verwies Rösti auf die Strecke Bern–Zürich: Dort bringe es nichts, Milliarden in den Bahnausbau zu investieren, «um noch zwei Minuten zu gewinnen» – sei man doch mit dem Zug sowieso schneller. «Hier machen wir es umgekehrt und bauen die Autobahn aus.» Strasse und Schienen müssten sich ergänzen, so Rösti, der Auto- und Bahnfan.