Notruf aus dem Louvre: Das Pariser Museum wird zum Opfer des Übertourismus
Im Bestseller «The Da Vinci Code» (2003) von Dan Brown war die Grosse Galerie im Louvre wenigstens noch in der Nacht menschenleer. Heute ist die meistbesuchte Kunstsammlung der Welt – vor den Vatikanischen Museen und dem British Museum – auch nach Eindunkeln gefragt: Am Dienstagabend etwa organisierte Louis Vuitton seine Herren-Modeschau der laufenden Fashion Week unter der berühmten Louvre-Pyramide.
Tagsüber ergiesst sich dort ein unablässiger Besucherstrom in die Galerien und Treppenhäuser des vertrackten ehemaligen Königspalastes. 8,7 Millionen Reisende waren es 2024. Und die Olympischen Spiele des vergangenen Sommers hatten den Andrang noch eher vermindert; im Vorjahr 2023 hatte der Louvre fast 9 Millionen Besucher registriert.
Zu sehen ist das vor allem im Saal der Mona Lisa, des rätselhaften Gemäldes von Leonardo da Vinci: Wie im Verkehrsstau ist dort zeitweise kein Fortkommen mehr. Denn gerade die jüngeren Touristen wollen den hehren Moment und das Lächeln der Gioconda per Instagram verewigen und blockieren den Menschenfluss.
Dieser Ansturm zeitigt Folgen. Am Donnerstag gelangte ein vertrauliches, inhaltlich alarmierendes Schreiben der Louvre-Direktorin Laurence des Cars an die Öffentlichkeit. Die Rede ist von der «Zunahme der Schäden» in mehreren Abteilungen, «wasserundichten Stellen» in den Dächern sowie Sälen mit «besorgniserregenden Temperaturschwankungen», die den Gemälden zusetzen. In einem Wort: Die gesamte Infrastruktur sei «obsolet», bilanziert des Cars.
Den Besuchern werde, wie die 58-jährige Konservatorin weiter ausführt, eine geradezu «körperliche Anstrengung» zugemutet. Schon der Zutritt durch die Glaspyramide von Ieoh Ming Pei sei beschwerlich und im Sommer viel zu heiss. Auf dem stundenlangen Gang durch die Kunstepochen träfen die Besucher keine richtigen Pausenräume an. Es gebe zu wenig Hinweisschilder; Essgelegenheiten und Toiletten seien «ungenügend, weit unter internationalem Standard».
Viele Kulturschaffende glauben nicht zu Unrecht, dass der an Kulturministerin Rachida Dati gerichtete Brief publik geworden ist, um mehr Finanzmittel lockerzumachen. Des Cars will unter anderem einen zweiten Eintritt von der Rue de Rivoli her schaffen und der Mona Lisa und der Venus von Milo zu neuen Sälen verhelfen. Ganze Abteilungen sollen renoviert werden. Schleierhaft bleibt, warum die Eintrittspreise zur Finanzierung nicht genügen.
Die Zeitung «Le Parisien», die den Warnruf der Louvre-Chefin veröffentlicht hat, führt den verschlechterten Zustand des berühmten Museums auf den «surtourisme» (Übertourismus) in der Lichterstadt Paris zurück. Die Hotels kommen mit der Nachfrage nicht mehr mit, was zu einer Verteuerung der Preise geführt hat. Dabei hätten selbst Viersternehotels eine Frischkur wie der Louvre nötig. Auch an Luxushotels herrscht in Frankreich Mangelware.
Schweizer zählen zu den zahlreichsten Besuchern
Frankreich hat 2024 erstmals die rekordhohe Schwelle von 100 Millionen ausländischen Besuchern überschritten. Am zahlreichsten sind Reisende aus Deutschland, Grossbritannien, Belgien, der Schweiz und den USA. Aus China und Japan kommen hingegen immer noch viel weniger Besucher als vor der Coronapandemie.
In der Besucherstatistik vor Spanien (94 Millionen Reisende) und den USA (78 Millionen) liegend, hat Frankreich im vergangenen Olympiajahr insgesamt 71 Milliarden Euro durch den Fremdenverkehr eingenommen. Immer mehr Tourismusexperten verweisen aber auf die hohen Begleitkosten. Noch gibt es in Frankreich keine Demos gegen ausländische Besucher. Immer mehr geschützte Orte wie die «calanques» (Felsbuchten) bei Marseille kontingentieren aber den Zutritt.
Der Louvre hat schon 2021 eine Höchstzahl von 30’000 Besuchern am Tag festgelegt. Sie wird aber selten erreicht. Das Museum will weit gereiste Besucher doch nicht daran hindern, der Mona Lisa wenigstens einmal im Leben zuzuzwinkern.