Anna und Hansrudolf Moser geben die Schlüssel des Strohdachhauses weiter
Ein Vierteljahrhundert ihres Lebens haben Anna und Hansrudolf Moser, 76 und 75, dem Strohdachhaus in Muhen gewidmet. Die Reise begann mit der Anfrage ihres Vorgängers Max Lüscher, der das Paar aufgrund seiner Eignung bei der Gemeinde empfahl. Ohne zu zögern, übernahmen die Mosers im Jahr 2000 offiziell die Schlüssel und damit die Verantwortung für das Haus.
Seither konnten sie hier in Muhen Geschichte erleben, erhalten – und selbst schreiben. Nun ist es an der Zeit, die Aufgabe an eine neue Betreuerperson zu übergeben. «Der Entscheid ist ein sorgfältig überlegter Schritt, bei dem der Wunsch mitschwingt, das altehrwürdige Haus noch lange in guten Händen zu wissen», so Anna Moser.
Ein Museum für das Dorf
Das Strohdachhaus hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit 1954 ist das Gebäude nicht bewohnt und wurde 1961 von der Aargauischen Vereinigung für Heimatschutz erworben. Am Tage der offiziellen Übernahme ging es jedoch infolge Brandstiftung in Flammen auf. Hansrudolf Moser war noch ein Schulbub, als er Zeuge des Brandes wurde. «Ich fuhr zufällig mit dem Velo vorbei und sah, wie das Dach Feuer fing», berichtet er. Trotz der Zerstörung, bei der nur der Wohnteil erhalten blieb, wurde das Strohdachhaus sorgfältig rekonstruiert.
Heute beherbergt es unter seinem imposanten Walmdach ein Dorfmuseum, das eine vielfältige Sammlung von Gegenständen aus vergangenen Zeiten präsentiert. Seit 1983 steht das Haus im Eigentum der Einwohnergemeinde Muhen. Von April bis Oktober kann das Museum jeweils am ersten und dritten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden.
Der besondere Hochzeitsgast
Für Anna und Hansrudolf Moser ist das Strohdachhaus eine Herzensangelegenheit. «Wir sind eigentlich jeden Tag hier», berichtet Hansrudolf. Sein Talent für handwerkliche Tätigkeiten findet hier immer wieder neue Ausdrucksformen. Aber auch das regelmässige Lüften, Waschen der Vorhänge und alle Unterhaltsarbeiten für das Gebäude und dessen Umschwung gehören zu den Aufgaben, die das Ehepaar Moser in ihrem Alltag erledigt. «Oft hörte ich die Leute sagen, wir seien nur am ‹Chrampfen›. Doch das ist nicht so. Mit der Freude im Herzen kann man alles bewältigen», berichtet Anna.
Über die Jahre haben die Mosers das Haus nicht nur instand gehalten, sondern auch zahlreiche Veranstaltungen organisiert – von Kleintierschauen, regelmässigen Führungen bis hin zu den verschiedensten Kulturveranstaltungen. «Es war ein Highlight nach dem anderen», so Hansrudolf. Seit 2017 werden im Strohdachhaus auch Trauungen durchgeführt. Eine davon wird Anna immer in Erinnerung bleiben: «Eigentlich sind Hunde im Strohdachhaus verboten – das Brautpaar hatte sich aber gewünscht, dass ihr Hund ihnen die Ringe bringt.» Da wussten die Mosers, dass sie das möglich machen mussten. Nachdem auch die Zivilstandesbeamtin ihr Einverständnis gegeben hatte, stand dem besonderen Hochzeitswunsch nichts mehr im Weg.
«Wir haben viel bewegt»
Neben der Organisation der Veranstaltungen hegten und pflegten Anna und Hansrudolf mit grosser Hingabe auch die Sammlung historischer Gegenstände. Jedes Stück, von der Zuckerdose bis zum handgehäkelten Jupe, zu den Holzski, etlichen Büchern und altem Schuhwerk, erzählt eine Geschichte. Ein besonderer Stolz ist auch die hölzerne Einrichtung eines über 120-jährigen Coiffeursalons, der dem Strohdachhaus übergeben wurde. Die Mosers nutzten im Jahr 2016 einen Aprilscherz, um mit dem Salon die Neugier auf die Saisoneröffnung im Strohdachhaus zu wecken: «Wir verkündeten, dass in Zukunft eine Friseurin im Haus Haare schneiden wird. Tatsächlich meldeten sich am 1. April einige Interessierte», schmunzelt Anna.
Weitere Meilensteine waren das 300-Jahr-Jubiläum im Jahre 2021 oder die traditionellen Adventsfenster, deren Figuren Hansrudolf selbst schnitzte. «Wir präsentierten unser Fenster immer zu Beginn der Adventszeit, damit die Menschen möglichst lange an unserer Arbeit Freude hatten», erklärt er. Je länger die beiden erzählen, desto mehr Erinnerungen kommen hoch. «Wir haben viel bewegt», fügt Anna mit einem Lächeln hinzu.
Das spürt man auch, wenn man ihr durch das Innere des Strohdachhauses folgt. Begeistert zeigt und erklärt sie jeden Gegenstand, hat zu jeder Ecke noch dies oder jenes zu berichten. Besonders angetan hat es Anna die Atmosphäre des alten Hauses, mit den tiefen Decken und unebenen Böden. Sie fügt hinzu: «Ich habe hier nur schöne Zeiten erlebt, nichts, was daneben war.»
Die Nachfolge wird bald bekannt gegeben
Der Entschluss, die Betreuung des Strohdachhauses weiterzugeben, ist für die Mosers ein Schritt, der nicht leichtfällt. «Wir haben diese Aufgabe gemeinsam angetreten, und gemeinsam werden wir sie auch beenden», so Anna. Mosers blicken jedoch optimistisch auf die kommende Zeit, da sie die Nachfolge bis zur definitiven Übernahme beratend begleiten können. Zudem waren sie bei der Suche einer Nachfolgelösung stets stark involviert.
Obwohl noch nicht offiziell bekannt gegeben werden darf, wer das Amt übernimmt, stellen sich hinter den Kulissen bereits alle Beteiligten auf die Übergabe ein. Auf die Frage, wie sie sich bezüglich der Zukunft des Strohdachhauses fühlt, antwortet Anna: «Ich könnte die gesamte Welt umarmen. Es kommt gut!»