Stiftung Wendepunkt feiert 30 Jahre: Alles begann in einer Garage mit 1000 Franken
Am 4. Januar 1993 gründete Hans-Peter Lang in einer Rupperswiler Garage die christliche Stiftung Wendepunkt. Mit einem Stiftungskapital von gerade einmal 1000 Franken. Damit wollte der damalige Bauführer, der für den Neuanfang seine sichere Stelle in einer Bauunternehmung aufgab, Menschen unter die Arme greifen, die auf dem Arbeitsmarkt sonst keine Chance auf eine Anstellung hatten. Zusammen mit seinen Klienten führte er einfache Maler- und Holzbauarbeiten aus.
30 Jahre nach der Gründung ist Hans-Peter Langs Sohn Sascha Lang Geschäftsführer der Stiftung, er stiess 1997 zum Unternehmen. Die Stiftung habe einen langen Weg hinter sich, blickt er zurück: «Was seit 1993 entstanden ist – da staunen wir und sind sehr dankbar dafür.» Das Jubiläum will man im Frühling mit einem Tag der offenen Tür feiern.
Von der Garage zur Unternehmung mit vier Tochterfirmen
Aus dem Garagenbetrieb ist eine veritable Sozialunternehmung entstanden, die 2021 einen Gesamtumsatz von rund 27,5 Millionen Franken und ein Eigenkapital von rund 14 Millionen Franken ausgewiesen hat. Bei «Wendepunkt» sind inzwischen 200 Personen angestellt, insgesamt bietet die Stiftung 900 Arbeits-, Wohn- und Betreuungsplätze an.
Gewachsen ist die Stiftung Schritt für Schritt: 1996 kam ein Standort in Oftringen dazu, 1997 einer in Wettingen. 1998 wurde die Doppelpunkt AG gegründet, um eine rechtliche Trennung zwischen der Stiftung und der Bauunternehmung zu erwirken. Lang erklärt: «Das lokale Gewerbe wollte nicht von einer Stiftung mit sozialem Gedanken konkurrenziert werden.» Er sei froh, dass sich diese Ängste schon seit längerem gelegt hätten, nun arbeite man Hand in Hand mit der Wirtschaft zusammen. Nach der Jahrtausendwende ist der Betrieb weiter immens gewachsen, es kamen Wohngemeinschaften dazu, diverse Coaching- und Lehrgang-Angebote, ein Logistik-Bereich, eine Konditorei, eine Kita und vieles mehr. Dazu hat die Stiftung neben der Doppelpunkt AG drei weitere Tochterunternehmen: die Stellenvermittlerin Drehpunkt AG, die Beratungsfirma SOVA Social Value GmbH und die im letzten Jahr gegründete Hauswartungsfirma Glanzpunkt AG.
Es geht immer noch um den Menschen an sich
Im Zentrum steht aber nach wie vor dasselbe wie vor 30 Jahren, bekräftigt Lang: «Dass Menschen einen Wendepunkt erleben können, dass sie aufblühen, Wertschätzung erfahren, und dass man ihnen weiterhelfen kann, mit welchem Anliegen sie auch immer zu uns kommen.» Diese Anliegen sind auch divers: Die Stiftung arbeitet mit verschiedenen kommunalen, kantonalen und nationalen Stellen zusammen, etwa mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV), mit der Invalidenversicherung (IV), und mit den Gemeinden.
Das RAV beispielsweise schickt Stellensuchende, die beim «Wendepunkt» Hilfe bei der Stellensuche erhalten, die die Abteilung SHV (Sonderschulung, Heime und Werkstätte) hingegen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die eine Tagesstruktur benötigen; und von den Gemeinden – respektive vom Sozialamt kommen ausgesteuerte Personen, die eine Mischung aus beidem brauchen. Dazu kommen unter anderem Asylsuchende und junge Personen, die ihre Berufslehre abgebrochen haben und eine berufliche Neuausrichtung brauchen.
Ihr Glaube gibt ihnen «Mut und Zuversicht»
Als einen der Meilensteine bezeichnet Lang den Bau des «Wendepark» in Oftringen: Gleich hinter dem «Wendepunkt»-Standort baute die Stiftung für rund 10,5 Millionen Franken eine Überbauung mit 55 Wohnungen, so Lang. Ein Wagnis, erinnert er sich zurück: «Oftringen hatte damals schon einen sehr hohen Wohnungsleerstand, uns wurde an vielen Stellen von diesem Projekt abgeraten.» Und doch hätten sie recht behalten: «Kurz nach der Eröffnung hatten wir bereits eine Auslastung von 80 Prozent, inzwischen sind alle Wohnungen vermietet.»
Der Erfolg sei auch eine Bestätigung ihres Kurses, erklärt Lang: «Genau darum geht es uns, wir wollen etwas wagen für die Gesellschaft, wie schon auch bei der Gründung der Stiftung selber.» Dabei helfe ihnen ihr Gottvertrauen: «Der Glaube an einen Schöpfergott, der alles möglich macht, gibt uns Mut und Zuversicht.» Beides habe es nicht nur 1993 gebraucht, sondern auch heute noch.
Eine ganze Kaderstufe aufgehoben
Die letzten Jahre waren auch für den «Wendepunkt» eine Herausforderung, nicht nur wegen Corona, erzählt Lang. So waren gerade etwa die Tochterfirmen von massiv steigenden Holzpreisen betroffen. Weiter gab es auch Lieferengpässe, so Lang, und auch den Fachkräftemangel spüre die Stiftung. Auch deshalb will sie sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren: «Das schaffen wir vor allem mit der Sinnhaftigkeit, die gerade bei jüngeren Generationen ein grösseres Thema ist. Da können und wollen wir punkten, denn das, was wir hier machen, ist sinnhaftig und nachhaltig, wir investieren in Menschen.»
Weiter zu schaffen macht der Stiftung die historisch tiefe Arbeitslosigkeit, denn gibt es weniger Arbeitslose, sinkt die Nachfrage bei den Job-Coachings und Stellenvermittlungen im Wendepunkt. Auch deshalb habe sich die Stiftung kürzlich einer Reorganisation unterzogen: «Wir haben zum Beispiel unsere Overhead-Kosten reduziert, indem wir die Geschäftsleitung verkleinert haben. Zudem haben wir die mittlere Kaderstufe in unserem Betrieb wo möglich aufgehoben.»
Umschulungen werden in Zukunft immer wichtiger
Derweil steht im Wendepunkt auch in Zukunft Neues an. Ein Projekt, welches die Stiftung in der nächsten Zeit ins Auge fassen will, lautet laut Lang auf den Namen «Sozialmanufaktur»: «Da spielt das Thema Food-Waste hinein, die regionale Nahrungsmittelproduktion, die Verarbeitung und der Weiterverkauf.»
Ein weiteres Angebot wird schon bald relevant, ist sich Lang sicher: «Weil der Fachkräftemangel so gross ist, rechnen wir damit, dass, auch wenn die Arbeitslosigkeit wieder steigt, ein Teil der Stellensuchenden umgehend wieder beschäftigt werden kann.» Dafür seien einige Voraussetzungen nötig: «Um diese Beweglichkeit der Stellensuchenden zu ermöglichen, werden Umschulungen in Zukunft deutlich wichtiger.» Gerade auch im Büro-Bereich und in der Industrie, wo derzeit die Digitalisierung Einzug hält und deshalb Stellen wegfallen, will sich die Stiftung zukünftig stärker engagieren: «Da sind wir mit dem Kanton und mit den Wirtschaftsverbänden im Gespräch und wollen Lösungen erarbeiten.»