Nach 41 Sonderausstellungen ist Schluss: Ueli Tanner tritt als Leiter des Heimatmuseums zurück
Am kommenden Sonntag wird Ueli Tanner ein letztes Mal als Aufsichtsperson im Rothrister Heimatmuseum tätig sein. Und auf Ende Jahr tritt der 78-Jährige nach 16 Jahren aus der Museumskommission zurück. Es ist ein Abschied mit etwas Wehmut und grosser Dankbarkeit.
«Nein, ich hatte vorher überhaupt keinen Bezug zu Museen», sagt Tanner lächelnd. Die Finger einer Hand reichten sicher aus, um anzuzeigen, wie oft er vorher ein Museum von innen gesehen habe. Das ist ein einigermassen überraschendes Geständnis für jemanden, der sich während 16 Jahren um das Rothrister Heimatmuseum im Miescherheimet gekümmert hat, als wäre es sein eigenes Haus. Doch zumindest was seine Leidenschaft für Museen betrifft, gibt es in seinem Leben ein klares Vorher und Nachher. Getrennt durch die Pensionierung.
«Es hat mir den Ärmel reingezogen»
2005 liess sich Ueli Tanner mit 62 Jahren frühzeitig pensionieren. Praktisch zur gleichen Zeit stand auch der Umzug des Rothrister Heimatmuseum vom Zehntenhaus ins Miescherheimet an. Margrit Wehrli, eine Kollegin seiner Frau Ruth und gleichzeitig Mitglied der Museumskommission, habe ihn damals angefragt, ob er sich nicht ein Engagement als «Zügelmann» vorstellen könne. Aus dem «Zügelmann» wurde schon im 2006 ein Mitglied der Museumskommission. «Es hat mir damals – nach den ersten Besuchen im Zehntenhaus – richtiggehend den Ärmel reingezogen», sagt er. Denn Tanners Engagement in der Kommission begann in der wohl interessantesten Zeit der gut 50-jährigen Rothrister Museumsgeschichte.
Am Anfang stand ein Dorffest
Die Anfänge des Rothrister Heimatmuseums gehen zurück auf die Dorfwoche von 1967, bei der ein zehntägiges Dorffest veranstaltet wurde.
Eine der vorgebrachten Ideen war die Organisation eines Flohmarkts. Die Leute sollten ihre Estriche und Keller von alten, ungebrauchten Gegenständen entrümpeln und verkaufen. Auf Anregung von Rolf Hofer wurden die zusammengetragenen Gegenstände nicht verkauft, sondern sie bildeten den Grundstock für die Gründung eines Heimatmuseums. Hofer stellte in kurzer Zeit auch eine erste Museumskommission – bestehend aus Marie Flückiger, Hansrudolf Ging, Max Güttinger und ihm selbst – zusammen und bereits in der Dorfwoche vom 30. Juni bis 10. Juli 1967 konnte in der Abwartswohnung im Schulhaus Dörfli die erste Ausstellung bewundert werden.
In den Räumen des Lässerhauses fand das Museum ab 1970 mehr Platz, 1984 erfolgte der Umzug ins Zehntenhaus beim Rösslikreisel.
Der Umzug ins Miescherheimet – ein Quantensprung
2005 stand wiederum ein Umzug bevor. In diesem Jahr bewilligte die Gemeindeversammlung einen Kredit von 3,2 Mio. Franken für den Umbau des Miescherheimets in ein Museum, nachdem die Rothrister Stimmbürger dem ersten Projekt 1991 noch eine Absage erteilt hatten. Das Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert war der Gemeinde von der 1986 verstorbenen Trudi Miescher vermacht worden – verbunden mit der Auflage, dass die Gemeinde im Haus ein Museum zu errichten habe.
«Ein Quantensprung in jeder Hinsicht», sei das gewesen, stellt Ueli Tanner fest. Vom Ausstellungskonzept ebenso wie von den Räumlichkeiten her. Das Historikerehepaar Susanne und Dominik Sauerländer-Mangold wurde mit der Ausarbeitung eines Konzepts und der Einrichtung der Räume beauftragt. Auf zwei Stockwerken erzählen historisch eingerichtete Räume vom Alltagsleben im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Aus einer Zeit, als das Dorf noch von Landwirtschaft und Heimarbeit geprägt war. Im Dachstock können Besucher dann erleben, wie sich das Dorf seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hat, wie sich das Ortsbild gewandelt hat. Viel Raum ist der grossen Auswanderung von 1855 gewidmet, als 12 Prozent der Dorfbevölkerung Rothrist Richtung USA verlassen mussten, weil sie im Dorf keine Existenz mehr hatten.
Er finde das Ausstellungskonzept von Susanne und Dominik Sauerländer-Mangold noch heute sehr modern», findet Ueli Tanner. Sie würden von Besuchern auch heute noch viele Komplimente erhalten, führt er weiter aus. «Die beiden Ausstellungsmacher waren Ikonen für mich», schwärmt Ueli Tanner noch heute. Es sei eine tolle Zeit gewesen, in der er viel gelernt habe – erfahren habe, wie man ausstelle, welche Gegenstände erhaltenswert seien. Ebenso grossartig sei gewesen, dass die Mitglieder der Museumskommission jederzeit auch eigene Ideen einbringen durften.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
Dasselbe gilt auch für die Arbeit in der Kommission. «Wir haben in den vergangenen 16 Jahren sehr partnerschaftlich funktioniert», betont Ueli Tanner. «Es gab keine Streitereien und kaum Wechsel innerhalb der Kommission».
Auch das Ausstellungsprogramm wurde auf partnerschaftlicher Basis entwickelt. «Wer eine Idee einbrachte, die gutgeheissen wurde, war denn auch federführend, wenn es um die Organisation ging», erläutert der abtretende Leiter des Heimatmuseums. Mitgeholfen aber immer das gesamte Team.
Stolz auf die SBB-Ausstellung
Besonders stolz ist er auf die SBB-Ausstellung aus der Saison 2020/21. «Das war meine Ausstellung – eine Herzensangelegenheit», sagt der ehemalige «Bähnler». Denn Tanner absolvierte schon seine Lehre als Stationsbeamter bei den SBB. Nach Lehr- und Wanderjahren folgte ein kurzes Gastspiel in Langenthal, bevor er bis 1978 als Betriebsbeamter in Rothrist und anschliessend fast zwanzig weitere Jahre in Olten arbeitete.
Der Publikumsrenner zum Schluss
Und jetzt – nach 16 Jahren mit ingesamt 41 Sonderausstellungen – tritt Tanner aus der Museumskommission zurück. Am kommenden Sonntag ist er nochmals als Aufsichtsperson im Museum tätig. Ein letztes Mal kann die Lego-Ausstellung bewundert werden. «Sie wird als besucherstärkste Ausstellung in meine ‹Museumskarriere› eingehen», sagt er. Gegen 1000 Personen haben die die Sonderausstellung bereits besucht, vor allem Familien mit Kindern.
Ja, das Thema «Kinder und Museum». «Die Führungen mit Schulklassen im Museum waren mir immer ein ganz wichtiges Anliegen», betont Ueli Tanner. Bei Bedarf würde er dafür weiterhin zur Verfügung stehen. Und dann erzählt er noch, wie er von der Schulklasse von Jeannette Mäder verabschiedet wurde. «So, jetzt wollen wir Dich noch verabschieden», habe die Rothrister Lehrerin zu ihm gesagt. «Ich musste mich auf einen Stuhl setzen, dann haben die Kinder einen Ring um mich gebildet und mir ein selber getextetes Lied vorgetragen», erzählt er. Ein Ueli-Tanner-Lied zum Abschluss. «Do han ig müesse gränne», sagt er in seinem unüberhörbaren Emmentaler Dialekt. Es ist ein Abschied mit Wehmut. Aber auch mit grosser Dankbarkeit – für viele tolle Begegnungen und Freundschaften, die bleiben werden.
Neue Organisation
Die Betreuung des Heimatmuseums wurde ab 2022 neu organisiert. Die Museumskommission wird per Ende 2021 aufgelöst, Gabriela Rüegger-Husi wurde als Leiterin Museum in einem 20-Prozent-Pensum gewählt. Zur Unterstützung der Museumsleiterin wird ein «Kernteam Heimatmuseum» eingesetzt, dem Anita Müller, Erich Christen, Patrik Siegrist, Peter Brander und Thomas Oschwald angehören.