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Jetzt spricht der Schiedsrichter-Boss: «VAR-Intervention war nicht korrekt, wir sind sehr unzufrieden»

Beim Spiel Luzern – GC (2:0) erfindet der VAR ein Handspiel, der Haupt-Schiedsrichter im Stadion glaubt ihm und entscheidet auf Penalty. Ein Totalausfall im System «Videoschiedsrichter», wie die Verantwortlichen nun zugeben.

Ein Handspiel von GC-Verteidiger Dirk Abels? Beim besten Willen auch bei mehrmaligem Betrachten der TV-Bilder aus verschiedenen Perspektiven nicht zu erkennen. Und trotzdem gibt es nach knapp einer Stunde Penalty für den FC Luzern – 2:0 –, Spiel entschieden. Glück für Luzern, das die Resultatkrise stoppen kann. Und Pech für die Hoppers, die auf mickrigen neun Punkten sitzen bleiben – und der Entlassung von Trainer Marco Schällibaum noch näher als eh schon kommen.

Nach Spielschluss kommt raus: Haupt-Schiedsrichter Johannes von Mandach wollte nach Betrachten der TV-Bilder am Spielfeldrand keinen Penalty geben. Also am ursprünglichen Entscheid «Weiterspielen» festhalten. Doch von Videoschiedsrichter Luca Cibelli in Volketswil war von Mandach via Funkspruch angehalten worden, sich den abgewehrten Schuss von FCL-Stürmer Kevin Spadanuda nochmals anzuschauen. Das tat er und konnte dabei kein zweifelsfreies Handspiel von Dirk Abels erkennen.

Cibelli indes blieb bei seiner Version und versicherte von Mandach, er habe ein Handspiel gesehen. Was macht von Mandach? Er vertraut auf Cibelli und entscheidet auf Penalty. Zu Unrecht. Bitter für den Aargauer Jungschiedsrichter, der vom Kollegen im VAR-Raum falsche Informationen erhielt. Der sich aber auch den Vorwurf gefallen lassen muss, entgegen der eigenen Überzeugung entschieden zu haben, sondern das Zepter in dieser spielentscheidenden dem Videoschiedsrichter in Volketswil überliess.

Schiedsrichter Johannes von Mandach kann auf dem Bildschirm kein Handsvergehen erkennen – und gibt dann trotzdem Penalty.
Bild: Philipp Schmidli / Keystone

Uff! Was ist da schiefgelaufen am Sonntag zwischen VAR und Haupt-Schiedsrichter? Wieso überstimmt der VAR den Schiedsrichter im Stadion? Haben VAR und Haupt-Schiedsrichter zu schnell entschieden? Am Tag danach nimmt Daniel Wermelinger, Leiter Ressort Spitzenschiedsrichter, gegenüber CH Media Stellung:

«Der Schiedsrichter hat sich in dieser Szene auf die Wahrnehmung des VAR verlassen, ohne dass einwandfrei aufklärende Bilder für einen Penalty-Pfiff zur Verfügung standen. Das Standardprozedere bei einer Intervention ist aber so definiert: Der VAR spricht eine Empfehlung aus, sich die Situation als On-Field-Review nochmals anzusehen. Letztlich entscheidet der Referee auf dem Platz über die Massnahme, die zu treffen ist. Der Idealfall wäre gewesen, dass der VAR dem Referee das beste Bildmaterial zur Sichtung zeigt, welches den klaren Beweis für das Handspiel hätten liefern können. Zusammenfassend müssen wir festhalten: In der Situation war kein Handspiel zu erkennen und folglich war auch die VAR-Intervention nicht korrekt. Wir sind mit dem Prozess, wie der Entscheid zustande kam, und mit dem Ergebnis sehr unzufrieden.»

Unmissverständliche Selbstkritik bei der Schiedsrichter-Abteilung: Entscheidung und Vorgehen waren falsch. Mit seiner entwaffnenden Offenheit, wie er das Zustandekommen des Penalty-Pfiffes erklärte, trug Johannes von Mandach einen Grossteil zu dieser Selbstkritik und der nun folgenden Aufarbeitung bei.

Der Aargauer Johannes von Mandach äusserte sich nach Spielschluss in Luzern entwaffnend ehrlich.
Bild: Philipp Schmidli / Keystone

Trotz des Totalausfalls im System «Videoschiedsrichter»: Schiedsrichter-Chef Wermelinger sieht seine Abteilung auf einem guten Weg. Das detektivische Suchen nach falschen Entscheidungen aus der Vergangenheit sei Zurückhaltung im VAR-Raum gewichen:

«Bislang waren wir mit den gezeigten Leistungen zufrieden. Die Video Assistant Referees blieben geduldig und der zurückhaltenden Interventionslinie treu. Sie haben nur bei klaren und offensichtlichen Fehlern interveniert. Fehlentscheide sind für alle involvierten Parteien, Fans, Teams, Offizielle und Referees, ärgerlich. Teil unserer Standardprozesse nach jeder Runde war und bleibt es, das Geschehene selbstkritisch aufzuarbeiten. Unsere Fehlerkultur ist sehr direkt und ehrlich. Die Aufarbeitung hat unmittelbar nach Spielschluss begonnen, durch Feedbacks im Stadion durch den anwesenden Coach, durch den Supervisor mittels Auswertung der TV- und VOR (Video Operation Room)-Bilder, und sie endet mit dem wöchentlichen Debriefing-Call der aktiven Referees und Coaches. Wichtig ist, dass die richtigen Lehren daraus gezogen werden und dass wir unsere Leute dabei unterstützen, wie es sich für ein Team gehört.»

Im Video Operation Room werden die Spiele beobachtet und die Schiedsrichter unterstützt.
Bild: Andy Mueller / Freshfocus

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