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Nur noch halb so viel Fleisch, deutlich mehr Gemüse und viel weniger Milch: So sollen sich Schweizer im Jahr 2030 ernähren

Will die Schweiz die Nachhaltigkeitsziele der UNO erreichen, dann muss gerade bei der Ernährung noch viel passieren. Nun zeigen Forschende auf, wie sich der Konsum konkret verändern soll.

250 Gramm Gemüse, fast ebenso viel Obst, maximal 50 Gramm Fleisch am Tag und deutlich weniger Milch und Joghurt. Eine solche Anpassung der Ernährung schlägt das wissenschaftliche Gremium rund um Lukas Fesenfeld vom Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern vor. Und zwar spätestens bis 2030. «Nur so können die Nachhaltigkeitsziele der UNO erreicht werden», sagt Fesenfeld am Donnerstag vor den Medien. Der Status Quo sei keine Option: «Wir überschreiten mit unserem aktuellen Ernährungsverhalten die planetaren Grenzen und bringen die Ernährungssicherheit in Gefahr, deshalb ist rasches Handeln angezeigt», so der Wissenschafter.

Lukas Fesenfeld forscht an der Universität Bern.
Bild: Vera Maria Knoepfel

Gemeinsam mit über 40 Vertretern aus der Wissenschaft – und zwar von zahlreichen Universitäten, Agroscope und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau – hat Fesenfeld einen «Leitfaden zu den grössten Hebeln und politischen Pfaden für ein nachhaltiges Ernährungssystem» erarbeitet. Darin kommen die Autoren zum Schluss: Wir alle sollen bis 2030 unsere Ernährung umstellen – und zwar nicht zu sanft, wie die folgende Grafik zeigt. Den grössten Hebel orten die Experten bei der Reduktion des Konsums von Fleisch, Eiern, Milch und Käse.

Politisch kaum mehrheitsfähig

Um diese Anpassung auch politisch zu unterstützen, schlägt das Gremium zahlreiche Massnahmen vor. Der Zeitplan dafür ist sportlich: Bis 2025 soll das Parlament einen «Transformationsfonds» aufbauen. Damit sollen etwa Landwirte bei der Betriebsumstellung unterstützt werden. Ab 2025 sollen dann auch Lenkungsabgaben und neue regulatorische Massnahmen eingeführt werden. So plädiert das Expertengremium etwa dafür, die Zölle für den Import von tierischen Produkten, Futtermittel und Mineraldünger zu erhöhen, Aktionen für Billigfleisch zu verbieten oder die Absatzförderung für Fleischprodukte zu streichen.

Solche Vorschläge sind politisch zumindest zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehrheitsfähig. Zahlreiche parlamentarische Vorstösse, die in diese Richtung zielten, scheiterten in der Vergangenheit deutlich. Auch wegen der Opposition seitens der Bauern. Dieser Widerstand besteht auch gegenüber den im Leitfaden vorgeschlagenen Massnahmen: Der Schweizerische Bauernverband (SBV) kritisiert, dass sich die «äusserst einschneidenden und kostentreibenden Vorschläge des Expertengremiums praktisch ausschliesslich auf die Agrarpolitik und damit die Landwirtschaft konzentrieren». Und weiter: «Aufgrund der aktuellen Entwicklungen ist es zweifelhaft, dass die Menschen in der Schweiz ihren Fleischkonsum innert kürzester Zeit derart massiv reduzieren», schreibt der SBV auf Anfrage.

Bund verfolgt längerfristige Strategie

Bundesrat Guy Parmelin.
Bild: Keystone

Auch beim Bund ist eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Bundesrat und Landwirtschaftsminister Guy Parmelin betonte anlässlich der Präsentation des Leitfadens zwar, dass die Politik die Empfehlungen «mit Interesse» studieren und berücksichtigen werde. Gleichwohl dürften diese kaum eine Kehrtwende beim Bund zur Folge haben. Schliesslich hat dieser mit seinem Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik bereits im vergangenen Jahr festgelegt, wie er sich eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft vorstellt.

Dabei verfolgt der Bund allerdings einen ganz anderen Zeitplan als das Expertengremium: Seine Vision der «Ernährungssicherheit durch Nachhaltigkeit von der Produktion bis zum Konsum» soll erst per 2050 erreicht werden. Immerhin in einem Punkt sind sich Wissenschaft und Bund einig: In der Pflicht stehen alle Akteure vom Landwirten, über die Händlerin, den Verarbeiter bis hin zum Detailhandel und zur Konsumentin.