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Paul-André Cadieux – wir haben eine der grössten Persönlichkeiten unseres Hockeys verloren

Der eingebürgerte Kanadier Paul-André Cadieux ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Ein Nachruf auf den Mann, der unser Eishockey geliebt und gelebt hat.

Eine Jahrhundert-Karriere, der Begriff ist nicht übertrieben, beginnt – so zumindest geht die nie widerlegte Legende – mit einem Irrtum. Der SCB erwartet Raymond Cadieux, den Stürmer des kanadischen Olympiateams von 1964 und 1968. Aber sein sechs Jahre jüngerer Bruder Paul-André kommt im Spätsommer 1970 nach Bern. Um zu bleiben. Geplant war ein Jahr. Aber aus einer Saison wird ein Leben.

Paul-André Cadieux prägt die nächsten 40 Jahre unser Hockey wie kaum eine andere Persönlichkeit. Als Spielertrainer, nach seiner Einbürgerung in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auch als Spieler und später als Coach und Sportchef.

Als Spielertrainer und Spieler hat er eine ganze SCB-Epoche während mehr als 400 Partien geprägt (Wiederaufstieg 1972, Meister 1974, 1975, 1977, Wiederaufstieg 1986). Als Spielertrainer führt er Davos zurück in die höchste Liga. Als Coach und zeitweise als Spieler navigiert er Gottéron durch die ersten Jahre in der NLA und später als Coach durch die «Russischen Flugjahre» mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow. Basel dirigiert er als Sportchef in die höchste Liga. Um nur seine wichtigsten Stationen zu erwähnen.

Nach seiner Einbürgerung hat er im Alter von 43 Jahren 1990 für die Schweiz ein Testländerspiel gegen Italien bestritten. Er war damals Assistent von Nationaltrainer Simon Schenk.

Die ganze Intensität eines Lebens schien sich in diesem Mann auf die Dauer eines Eishockeyspiels zu verdichten, und doch hielt er seine Leidenschaft unter Kontrolle. Nie war er als Spieler oder Trainer ausfällig, nie despektierlich gegen die Schiris. Ein Vorbild als Führungspersönlichkeit und Mensch.

Sie flogen über das Eis: Die Russen Slawa Bykow und Andrej Chomutow prägten unter Paul-André Cadieux die erfolgreichste Zeit Gottérons.
Bild: Keystone

Nur einmal ist ihm kurz das Temperament durchgegangen: Er hat den HCD 1979 als Spielertrainer in die NLA zurückgeführt und ist über die ausbleibende Lohnerhöhung so enttäuscht, dass er vor den Augen des Vorstandes den Vertrag in Fetzen reisst. Er macht dann doch weiter und führt den Neuling sensationell auf den dritten Platz.

Geschätzt und respektiert ist er in allen Stadien, aber am meisten verehrt wird er in Fribourg. Aus «On pense qu’a Dieu» wird in der katholischen Stadt mit Bischof-Sitz: «On pense Cadieux». Trotz drei Playoff-Finalniederlagen (1992, 1993, 1994). In Fribourg hat er seine zweite Heimat gefunden.

Es hat noch nicht viele Spieler gegeben, die ihre Mannschaft mit so viel Energie und Leidenschaft beseelt haben. Wenn er aufs Eis kam, elektrisierte er das Publikum. Weil dann immer etwas passierte. Den Kopf hocherhoben hatte er das ganze Eisfeld im Blick und er schien alle Fäden in der Hand zu haben. Er war Antreiber und Spielmacher zugleich. Wenn er sich zwischendurch als Verteidiger aufstellte, kam es vor, dass er die Scheibe hinter dem eigenen Tor übernahm, übers ganze Feld lief und einen Treffer erzielte.

Diese Kombination aus Leidenschaft, Energie, Zähigkeit, Mut, Spielintelligenz und Kaltblütigkeit in den entscheidenden Phasen ist auf diese ganz besondere Art und Weise einmalig geblieben. In den 1970er-Jahren ist er mit seiner vorgelebten Trainingsintensität ein Trendsetter und treibt unser Hockey voran. Und als er später nur noch an der Bande steht, wirkt er wie der Manager einer britischen Heavy-Metal-Band, der nach einer Panne des Tourbusses die Helfer beim Radwechsel mit scharfen Kommandos unaufhörlich antreibt, damit man nicht zu spät zum nächsten Konzert kommt.

Meistens stand er oben auf der Bank wie ein Feldherr. In seinem Gesicht liess sich der Spielverlauf ablesen, der Spielfluss war der Biorhythmus in seinem Körper. Jeden längeren Unterbruch benützte er, um kurze, präzise Anweisungen zu geben. Nur nach Gegentoren zückte er während des Spiels ein Stück Papier und schrieb etwas auf. «Damit ich mich genau an die Situation erinnere und im Training korrigieren kann.»

Er hat Eishockey im besten Wortsinn gelebt. Als Spieler, als Trainer, als Sportchef und als begabter Entertainer: Er pflegte auch die Kultur des «Storytelling» und es gab ja wahrlich kaum jemanden, der mehr zu erzählen hatte. Seine Sprache war dieses spezielle Québec-Französisch. Richtig Deutsch hat er nie gesprochen, und doch hat ihn jeder verstanden.

Vor gut einem Jahr muss er krankheitsbedingt beide Unterschenkel amputieren lassen. Er ist letzte Saison trotzdem wieder in die Stadien zurückgekehrt und begleitete weiterhin als Experte für das Lokalradio RadioFr die Partien von Gottéron. Ein Mann, der das Eishockey geliebt und gelebt hat.

Übrigens: Sein Sohn Jan Cadieux hat ebenfalls über 600 NLA-Spiele bestritten und als Coach Servette 2023 zum Meistertitel und 2024 zum Triumph in der Champions Hockey League geführt.

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