Sexsymbol Gina Lollobrigida ist tot – sie warf sich in Szene, wechselte die Männer wie ihre Frisuren, sie war eine moderne Frau
Gina Lollobrigida ist tot. Noch vor einem Jahr kandidierte sie für den italienischen Senat. «Italien steht schlecht da, ich will etwas Gutes tun,» begründete sie ihren Schritt. Sie war damals 94 Jahre alt. Und schlecht da stand auch sie selbst. Ihr Sohn hatte sie in einer jahrelangen Schlammschlacht unter Vormundschaft gestellt, er bezweifelte ihre geistige Gesundheit. Ginas letzter Auftritt war der Versuch, Würde zurückzuerlangen.
Obwohl für Italienerinnen einer gewissen Generation das Alter schlimmer sein soll als jede unheilbare Krankheit, stand sie dazu: Zu jedem einzelnen Jahr, das sie lebte und genoss, so erklärte sie der Presse. Und sie stand ebenso zu jeder einzelnen ihrer Schönheitsoperationen, mit denen sie ihre letzten Jahre zubrachte. Stets ausgeführt vom berühmtesten Operateur der Welt und Erfinder dieser Kunst, dem Brasilianer Ivo Pitanguy.
Die heisse Antwort auf den kalten Krieg
Gina,«La Lollo»,«Gina nazionale». Sie war Italiens Sexsymbol der Fünfziger- und Sechzigerjahre, eine Allzweckwaffe im erotischen Wettrüsten des Nachkriegskinos. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere galt sie als schönste Frau der Welt. Sie war die heisse Antwort auf den Kalten Krieg. In einer Nation, in der Frauen lange nur eine einzige Aufgabe zu erfüllen hatten – schön zu sein – , fiel sie bereits als Dreijährige auf, bei einem Wettbewerb wurde sie zum schönsten Kleinkind des Landes gekürt.
Und auch später besass sie als Frau, naturgemacht, die richtigen Trümpfe: üppige Brüste, ausladende Hüfte, dazu eine Wespentaille, einen üppigen Mund. Und erst die Haare! Ihre Locken amtierten als Lockstoff für jede Kamera bis ins hohe Alter. In ihrer Zeit, und nicht nur in ihrer, schrieb man als Frau mit solchen Talenten – und mit einem bisschen Glück dazu – Filmgeschichte.
Und dieses Glück hatte sie. Es kam daher in Form von Männern, wichtigen Regisseuren und Produzenten. Luici Comencini vor allem und Leinwandpartner Vittorio De Sica. Bereits ihr märchenhafter Start, Mario Costa entdeckte sie auf der Strasse, sie war zarte 19, war wie gemacht, um zur Legende gestrickt zu werden. Jung trat sie in Mantel- und Degenfilmen auf und fegte in Italien, später Frankreich, in Hollywood, Mann und Frau weg von der Strasse ins Kino.
Bis auf eine, ihre Rivalin Sophia Loren. Dabei war klar, wer von den Studios in welches Besetzungs-Kistchen abgelegt wurde: Gina war abonniert auf Frauenfiguren, die arm, doch naturschön waren. Die Loren demgegenüber vertrat den Typ kultivierte, domestizierte, reiche Bellezza.
Sie liebte selbst den Glöckner von Notre-Dame
Lollobrigidas wichtigste und populärste Rolle ist gewiss die Figur der tanzenden Esmeralda, eine Zigeunerin wie man 1965 noch sagte, ohne die Zuschreibung abwertend zu meinen. An der Seite von «Quasimodo» Anthony Quinn war sie die Frau, die selbst dem Geringsten der Geringen, dem «Glöckner vom Notre Dame» Liebe entgegenbrachte. Herzensgut und gerecht sein, das traute man ihr zu, zumindest in ihren Figuren.
Im Rückblick die Karriere darauf zu reduzieren, dass sie genau dem Männerbild ihrer Zeit entsprach, ist jedoch so falsch wie geschichtsblind. Ihre Rollen waren zwar kaum zentral, doch mit ihrem Temperament und mit ihrer Herzenswärme gab sie auch als Nebenfigur dem Publikum, wonach man in der kargen Nachkriegszeit lechzte. Ginas spielte mit ihrer Natürlichkeit, ohne dafür von der Öffentlichkeit das Image eines Dummchens angeklebt zu bekommen. Ihre amerikanische, nur um ein Jahr ältere Kollegin Marilyn Monroe litt daran zeitlebens.
Anders als die Loren machte Lollobrigida keinen Hehl daraus, dass sie es liebte, geliebt zu werden. Mit Disziplin und Bescheidenheit und mit inneren Werten sollten andere ihr Leben vertun. Die Lollo lebte dafür zu gerne, mochte es äusserlich und bitte schön auch exaltiert! Noch mit 80 schätzte sie das Bad in der Menge, schwärmte unverhohlen für Liebhaber, die halb so alt waren wie sie und nutzte ihr Label dazu, eine Vorzugsbehandlung zu geniessen. Denn so war es immer gewesen, das Kino profitierte von ihr, doch mindestens so sehr profitierte auch sie von von ihm. Und als es ihr in den Siebzigerjahren nicht mehr profitabel genug schien, begann sie zu fotografieren und arbeitet als Bildhauerin.
Auf dem Zenit ihrer Verehrung eine der bestbezahlten Schauspielerinnen, wohnt Lollobrigida quasi in ihrem Rolls-Royce, rollt zwischen der Alten und Neuen Welt hin und her – und bekommt von Beiden nur das Beste. Arrividerci Lollo, ci rivediamo al cinema!