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Nacht auf Sonntag: Russland bombardiert viele Ziele in der Ukraine 

Bei einem russischen Angriff auf einen gut besuchten Baumarkt in der ostukrainischen Grossstadt Charkiw sind mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. Das teilte Militärverwalter Oleh Synjehubow am Sonntagmorgen auf seinem Telegram-Kanal mit. Zuletzt war die Zahl der Toten mit sechs, die der Verletzten mit 40 angegeben worden.  Die Lösch- und Bergungsarbeiten dauerten auch in der Nacht an, mögliche weitere Opfer unter den Trümmern wurden nicht ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Angriffs am Samstagnachmittag hatten sich nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenski rund 200 Menschen in dem Baumarkt aufgehalten.

Russland bombardierte die Ukraine nach Kiewer Militärangaben auch in der Nacht auf Sonntag mit Raketen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen aus der Luft. Dabei kamen auch Hyperschallraketen vom Typ Kinschal zum Einsatz, wie die ukrainische Luftwaffe auf ihrem Telegramkanal mitteilte.

Die Ziele schienen demnach vor allem im Westen des Landes zu liegen. Explosionen wurden aus dem Gebiet Chmelnyzkyj gemeldet, dort liegt auch die wichtige ukrainische Luftwaffenbasis Starokostjantyniw. Im Gebiet Winnyzja wurde nach Angaben der Regionalverwaltung ein Wohnhaus getroffen. Auch die Region Lwiw an der Grenze zu Polen wurde angegriffen, wie der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, auf Telegram schrieb. Eine Übersicht über Schäden und mögliche Opfer gab es in der Nacht nicht. Auch in der Nähe der Hauptstadt Kiew sei eine Explosion zu hören gewesen, berichtete der öffentliche Rundfunk Suspilne. In Kiew suchten wie immer bei Luftalarm viele Menschen in der U-Bahn und anderen Bunkern Schutz.

Der ukrainische Präsident Wolodymir Selenski sah in dem Angriff auf den Baumarkt «eine weitere Manifestation des russischen Wahnsinns». «Nur Wahnsinnige wie (Kremlchef Wladimir) Putin sind in der Lage, Menschen auf so abscheuliche Weise zu töten und zu terrorisieren», sagte der ukrainische Präsident in seiner täglichen Videoansprache. Selenski hatte zuvor auf der Plattform X von einem «brutalen Angriff bei helllichtem Tag» gesprochen.

Grosse Anzahl von Vermissten

Erste Videobilder zeigten dichte Rauchwolken über dem teilweise eingestürzten Baumarkt, vor dem Feuerwehrleute sich bemühten, den Brand zu löschen. «Wir haben eine grosse Anzahl von Vermissten», schrieb Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow auf Telegram. Von 16 Menschen fehlte bis zum späten Abend jede Spur, berichtete die Agentur Unian.

Die Staatsanwaltschaft in Charkiw sprach von einem Luftangriff. Sprecher Dmytro Tschubenko erklärte, dass bei den Explosionen hochgiftige Materialien in Brand geraten seien. «Es entwickelte sich ein starker, beissender Rauch, der das gesamte grosse Einkaufszentrum einhüllte. Infolgedessen wird sich die Zahl der Toten und Verletzten wahrscheinlich erhöhen», sagte er der Agentur Unian.

Der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilte den Angriff auf das Einkaufszentrum. «Das ist inakzeptabel. Frankreich teilt die Trauer der Ukrainer und steht weiter voll an ihrer Seite», schrieb er auf der Plattform X.

Später schrieb Militärverwalter Oleh Synjehubow, dass Kupjansk in der Region Charkiw von einem russischen Raketenwerfer getroffen worden sei – dabei seien fünf Bewohner verletzt worden. Auch das Zentrum von Charkiw wurde am Abend von neuen russischen Angriffen erschüttert. Dabei wurden nach Synjehubows Angaben 18 Menschen verletzt.

Selenski bittet erneut um Flugabwehrsysteme

Selenski erneuerte den Ruf nach mehr Flugabwehrsystemen für sein Land. «Hätte die Ukraine genügend Flugabwehrsysteme und moderne Kampfflugzeuge, wären russische Angriffe wie dieser unmöglich.» An die Unterstützer der Ukraine richtete er auf der Plattform X den Appell: «Wir brauchen eine bedeutende Verstärkung der Flugabwehr und ausreichende Möglichkeiten, die russischen Terroristen zu vernichten.»

Zwar sei am Samstag ein weiteres russisches Kampfflugzeug vom Typ Su-25 im Osten des Landes abgeschossen worden, erklärte er am Abend in seiner Videoansprache. Aber: «Hätten wir angemessenere, modernere Luftabwehrsysteme und Flugzeuge, wäre die russische Luftwaffe natürlich schon längst genauso zusammengebrochen wie ihre Schwarzmeerflotte.» Erst am Freitag hatte Deutschland der Ukraine eine weiteres Flugabwehrsystem Iris-T geliefert. Deutschland hat bereits Luftverteidigungssysteme unter anderem vom Typ IRIS-T und vom Typ Patriot an Kiew geliefert.

Selenski hat in den vergangenen Monaten wiederholt um mehr Flugabwehrsysteme gebeten. Vertreter der Nato hatten diese oder zumindest finanzielle Unterstützung für den Ankauf von Systemen auch zugesagt, doch wurde dies bisher – mit Ausnahme in Deutschland – kaum umgesetzt. Nach Selenski Berechnungen seien allein für die Region Charkiw zwei Patriot-Flugabwehrsysteme nötig. Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Unterstützung einen russischen Angriffskrieg ab. (dpa)