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Der Ständerat rettet die Schweizer Gelder für die palästinensische Hilfsorganisation UNRWA

Die UNRWA-Gelder sollen nicht umgehend eingefroren werden. Der Ständerat hat am Dienstag eine Vorlage beerdigt, die der Nationalrat noch gutgeheissen hat. Die Debatte verlief entlang dreier Konfliktlinien und offenbarte fundamentale Widersprüche.

Das palästinensische UNO-Hilfswerk UNRWA steht seit längerem unter Verdacht, von der Terrororganisation Hamas unterwandert zu sein. Letztes Jahr entliess es neun seiner Mitarbeitenden, die sich mutmasslich am 7. Oktober 2023 am Massaker an Israeli beteiligt haben. Auch in der Schweiz entflammten Debatten darüber, inwiefern die UNRWA vor diesem Hintergrund noch zu unterstützen sei.

Am Dienstagmorgen hat der Ständerat vier Vorlagen zum Thema beraten. Drei davon lehnte er ab, darunter auch die umstrittene umgehende Einfrierung der UNRWA-Gelder. Damit wird die Schweiz das Hilfswerk weiterhin finanziell unterstützen. Angenommen wurde der Auftrag an den Bundesrat, sich in der UNO für eine Reform der palästinensischen Flüchtlingshilfe einzusetzen.

Inwiefern die Unterstützung an die Palästinenser aber weitergehen soll, scheint alles andere als klar. Denn das Parlament ist gleich bei drei Fragen gespalten, die auch die Zukunft betreffen.

Welches Zeichen will die Schweiz senden?

Nebst der finanziellen und der humanitären Frage interessierte die Aussenwirkung des Entscheids. «Die heutige Debatte hat einen symbolischen Wert», sagt der Tessiner Fabio Regazzi (Mitte). Der Schaffhauser Hannes Germann (SVP) sagt: «Frieren wir die Gelder nicht ein, signalisieren wir, dass man einfach so weitermachen kann wie bisher.» Es dürfe nicht sein, dass sich unter den Schulen und Spitälern der UNRWA eine Terrorbasis verberge, «und niemand will etwas gesehen oder gehört haben».

«Wenn wir die Gelder einfrieren, könnte die Weltgemeinschaft das als Abkehr der Schweiz von der Zweistaatenlösung interpretieren», warnt dagegen Aussenminister Ignazio Cassis. Der Genfer Mauro Poggia (MCG) sagt: «12 von 30’000 Mitarbeitenden haben angeblich das Oktober-Massaker unterstützt.» Aufgrund von «vagen Anschuldigungen» alle Gelder einzufrieren, findet er unverhältnismässig: «Die schlimmsten Kriminellen würde man unter diesen Umständen freisprechen.» Die Freiburger Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot sagt: «Senden wir der Welt ein Signal, dass die Schweiz das Völkerrecht achtet.»

Gibt es Alternativen zur UNRWA?

Germann sagt: «Man kann mir einfach nicht erzählen, dass es keine Alternativen zur UNRWA gibt.» Das Welternährungsprogramm, die WHO, UNICEF und andere NGOs böten sich an. Nach neusten Erkenntnissen seien es laut Germann noch etwa 15 Prozent der Hilfsgüter, die im Gaza-Streifen über die UNRWA abgewickelt würden. Er sagt: «Wenn wir diese 15 Prozent nicht ersetzen können, dann ist die Welt wirklich arm dran.» Auch die Aargauerin Marianne Binder-Keller (Mitte) sieht in dieser Zahl den Beweis, dass es Alternativen geben müsse.

Chassot hält eine andere Zahl dagegen: «Nur die UNRWA hat die Kapazität, die Nothilfe in dem derzeit nötigen Ausmass anzubieten. Über 60 Prozent der Hilfsgüter kommen über die UNRWA in die besetzten Gebiete.» Der Genfer Carlo Sommaruga (SP) sagt: «Ich sehe heute keine Alternative, und es ist unsere moralische und völkerrechtliche Pflicht, die humanitäre Hilfe weiterhin durch die UNRWA zu gewährleisten.» Die Solothurnerin Franziska Roth (SP) doppelt nach: «Wer die UNRWA jetzt schwächt, überlässt das Feld Hamas und ihrer Schutzmacht Iran.»

Wie geht es also weiter? Grounding oder Reform?

Der St.Galler Benedikt Würth (Mitte) teilt die Optionen in zwei Kategorien ein: «Wir haben heute den Bundesrat beauftragt, sich bei der UNO für eine Nachfolgelösung einzusetzen.» Das sei ein Reformansatz. «Das Einfrieren von Geldern ist hingegen ein Grounding-Ansatz, und das nicht nur für Gaza, sondern auch für Syrien, Jordanien und den Libanon.» Würth findet das keinen legitimen Ansatz, solange nicht geklärt sei, wer die Spital- und Schuleinrichtungen weiterführen könnte. «Das könnte am Ende wieder mehr Radikalisierung produzieren.»

Der Zürcher Daniel Jositsch (SP) hält dagegen: «Glauben Sie, die UNO ändert sich, nur weil die Schweiz das will?» Man müsse die UNO dazu zwingen, weil sie selbst den Erhalt ihrer eigenen Organisationen anstrebe. Mitte-Ständerat Fabio Regazzi sagt: «Die Schweiz bezahlt 20 Millionen Franken an das UNRWA-Gesamtbudget von 1,2 Milliarden Franken. Da kann man nicht von einem Grounding sprechen, wenn der Schweizer Beitrag wegfällt.»

Kurzfristig ist diese Diskussion abgeschlossen, die Gelder nicht eingefroren. Mittelfristig muss nun der Bundesrat aufzeigen, welche Alternativen es für die Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung gibt.