Sie sind hier: Home > Uncategorized > Fragiler Geiseldeal mit der Hamas: Freude auf der einen Seite, Enttäuschung und Sorgen auf der anderen

Fragiler Geiseldeal mit der Hamas: Freude auf der einen Seite, Enttäuschung und Sorgen auf der anderen

Israelis und Palästinenser warten nach drei Tagen Kampfpause gespannt auf weitere Freilassungen von Geiseln und Häftlingen. Auf beiden Seiten gibt es Hoffnung auf eine Verlängerung der Feuerpause.

Es waren Szenen voller Freude und Enttäuschung, die seit diesem Wochenende in Israel über Fernsehbildschirme flimmerten und in den sozialen Medien geteilt wurden. Da war das Video des neunjährigen Ohad Mundar, der nach Wochen der Geiselhaft in Gaza auf den Gängen eines israelischen Krankenhauses seinem Vater in die Arme stürmte.

Da waren aber auch die Bilder der 13-jährigen Hila Rotem Shoshani, die 50 Tage nach ihrer Entführung durch die Hamas von ihrem Onkel begrüsst wurde – ihre Mutter gehörte nicht zu den israelischen Geiseln, die am Samstagabend freigelassen wurden.

Gleichzeitig stellen sich viele im Gazastreifen und in Israel die Frage, wie es weitergeht, wenn am Dienstagmorgen die ursprünglich vereinbarte viertägige Kampfpause endet – und ob sie überhaupt bis dahin gültig bleibt.

Seit Freitag hielten sich sowohl die Hamas als auch die israelische Armee weitgehend an die Waffenruhe. Bisher kamen 41 von insgesamt rund 240 Geiseln frei, darunter 26 Israelis, 14 thailändische und eine philippinische Geisel. Unter den Freigelassenen waren auch acht Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft.

Am Sonntagvormittag erhielten israelische Behörden über Vermittler eine Liste mit einer dritten Gruppe, die am Sonntagabend freikommen sollte. Gemäss aktuellem Stand wurden 14 Israelis und 3 ausländischen Geiseln am Sonntagabend dem Roten Kreuz übergeben, sagt ein Sprecher der israelischen Armee.

Im Gegenzug liess Israel am Freitag und Samstag je 39 palästinensische Gefangene frei, ebenfalls Frauen und Kinder. Sie wurden im palästinensischen Westjordanland teils mit Hamas-Parolen und -Flaggen begrüsst. Am Sonntagabend sollen weitere 39 Palästinenser freikommen.

Die aus einem israelischen Gefängnis entlassene Palästinenserin wird in einem palästinensischen Flüchtlingslager nahe Nablus begeistert empfangen. Sie trägt dabei das grüne Hamas-Kopftuch.
Bild: Majdi Mohammed/AP

Langes Tauziehen am Samstag

Wie fragil die Vereinbarung ist, wurde am Samstag deutlich, als die Hamas die Freilassung der Geiseln um Stunden hinauszögerte. Die militante Islamistengruppe warf der Armee unter anderem vor, nicht die vereinbarte Zahl an Hilfslieferungen in den Norden des Küstenstreifens zu lassen und auf Menschen zu schiessen, die während der Feuerpause versuchten, zurück in den Norden zu gelangen.

Israel drohte laut Medienberichten mit einer Aufhebung der Waffenruhe, wenn die vereinbarte Zahl an Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen seien. Nach Vermittlung durch Katar lenkte die Hamas am späten Abend ein. Bis Sonntagmorgen waren laut UN-Angaben 61 Lastwagen in den bis zur Feuerpause heftig umkämpften nördlichen Teil des Küstenstreifens gelangt. An vier Verteilungspunkten im Norden sollen die Menschen damit unter anderem Wasser, Arzneimittel und medizinische Ausrüstung erhalten.

In Bagdad wird ein Lastwagen des irakischen Roten Halbmondes mit Hilfsgütern für Gaza beladen.
Bild: Ahmed Jalil/EPA

Ob eine Lieferung in den Norden Teil der ebenfalls von Katar vermittelten Waffenruhe ist, war zunächst nicht bekannt. In Berichten war bisher von Hilfslieferungen über den ägyptischen Grenzübergang Rafah in den Süden des Gazastreifens die Rede.

Laut dem UN-Nothilfebüro OCHA fuhren am Samstag 187 Lastwagen mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten über die Grenze. Unter den Hilfslieferungen seien auch Diesel und Gas zum Kochen gewesen. Bis Sonntagnachmittag überquerten laut der ägyptischen Regierung weitere 120 Lastwagen den Grenzübergang.

Trotz der Spannungen gab es am Wochenende bereits Gespräche über eine mögliche Verlängerung der Kampfpause über die vereinbarten vier Tage hinaus. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Hamas die Pause gegen die Freilassung von je zehn weiteren Geiseln um einen Tag bis zu maximal zehn Tagen verlängern kann. So könnten bis zu einhundert Entführte gegen bis zu 300 palästinensische Gefangene getauscht werden.

Katar setzt sich für Verlängerung der Waffenruhe ein

Bei Angehörigen in Israel und Zivilisten in Gaza sorgt das für einen Hoffnungsschimmer. Unter Vermittlung von Ägypten und Katar wird derzeit über eine mögliche Verlängerung der Kampfpause verhandelt. Ein längerer Waffenstillstand ist jedoch kaum wahrscheinlich. Israel hat wiederholt die Zerschlagung der Hamas als Kriegsziel ausgegeben.

Armeechef Herzl Halewi schrieb in einer Mitteilung nach dem Beginn der Kampfpause, das Militär werde den Kampf gegen die Hamas «mit Entschlossenheit» wieder aufnehmen, sobald die Waffenruhe ende.

Wie Israel den Kampf gegen die Hamas angesichts der katastrophalen humanitären Situation im Gazastreifen fortsetzen will, ist derzeit unklar. Die Vereinten Nationen zählen rund 1,7 der gut zwei Millionen Bewohner des Küstenstreifens als Binnenvertriebene.

Die überwiegende Mehrheit hält sich derzeit auf engstem Raum im Süden und in der Mitte des Gebiets auf. UN-Nothilfe-Koordinator Martin Griffith bezeichnete die Lage gegenüber dem US-Sender CNN als «schlimmste humanitäre Krise», die er je gesehen habe.

Der Sprecher des US-Sicherheitsrats, John Kirby, mahnte die israelische Führung bereits vergangene Woche, keine Operation im Süden zu starten, solange es keinen Plan zum Schutz der Zivilbevölkerung gebe. Eine von Israel vorgeschlagene «Sicherheitszone» in einem Teil des südlichen Gazastreifens haben zahlreiche UN- und Hilfsorganisationen als unrealistisch abgelehnt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Verwandte Themen