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Versöhnung mit dem «aussätzigen» Kronprinzen? – nach Israel besucht US-Präsident Joe Biden Saudi-Arabien

Trotz des 2019 durch den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman angeordneten Mordes am Journalisten Jamal Khashoggi wollen die USA ihre Beziehungen mit Saudi-Arabien neu ausrichten. Der Besuch des US-Präsidenten soll den Anfang machen. 

In Saudi-Arabien bietet sich dem amerikanischen Präsidenten die Gelegenheit, «bei einem seiner repressivsten Verbündeten endlich die Messlatte höher zu legen und dessen schlimmsten Verstösse nicht länger zu ignorieren», kommentierte die US-Zeitung «Boston Globe» den am Freitag beginnenden Besuch von Joe Biden in Dschiddah – und nahm das Ergebnis vorweg: «Es wäre eine Schande, wenn Biden diese Gelegenheit verstreichen lassen würde».

Washington hatte bereits in der letzten Woche die sich abzeichnende 180 Grad-Korrektur im Umgang mit Saudi-Arabien mit «vorrangigen Friedensinteressen» begründet. Deshalb müsse man «die Sache», gemeint war die laut CIA-Erkenntnissen vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) angeordneten Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi im November 2019, endlich «hinter sich lassen» – und die Beziehungen mit Saudi-Arabien «neu ausrichten».

USA fordert Erhöhung der saudischen Erdölförderung

Tatsächlich war es der von Biden im Wahlkampf als «Aussätziger» gebrandmarkte de facto-Herrscher von Saudi-Arabien, der den Besuch des US-Präsidenten im wahabitischen Königreich ausdrücklich gefordert hatte. Erst nach einem Canossa-Gang mit Handschlag sei eine «Reparatur der tiefgreifend beschädigten Beziehungen» mit den USA möglich. Erst dann könnten auch politische Forderungen der Amerikaner erfüllt werden.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist seit dem nach CIA-Erkenntnissen von ihm angeordneten Mord am Journalisten Jamal Khashoggi das saudische Enfant terrible im Westen. Er war es aber auch, der den jetzt stattfindenden Besuch von Joe Biden ausdrücklich gefordert hatte.
Jacquelyn Martin / AP / keystone

Deren Liste ist lang: Es geht um eine markante Erhöhung der saudischen Erdölförderung. Ein weiteres Thema ist die «saudische Unterstützung im Wettlauf mit China», dem grössten Handelspartner von Riad. Überdies erhoffen sich die USA saudischen Druck auf Russland.

Riad hat sich bislang geweigert, die russische Ukraine-Invasion zu verurteilen. «Die Ukrainekrise», betont der regimenahe saudische Politikwissenschaftler Mansour Almarzoqi, offenbare «einmal mehr die Heuchelei des Westens, wenn es um den Wert von menschlichen Leben geht». Während der Westen die israelische Besatzung Palästinas akzeptiere, empöre er sich über das russische Vorgehen in der Ukraine.

Eine Chance, den Krieg im Jemen zu beenden?

Im Umgang mit Iran sieht der saudische Akademiker dagegen zahlreiche Berührungspunkte mit den USA. Amerikanische Senatoren hatten sich im Vorfeld von Bidens Nahostreise für die Schaffung eines arabisch-israelischen Verteidigungsbündnisses ausgesprochen – was es sobald nicht geben dürfte. Allerdings will man prüfen, wie man die verschiedenen Luftabwehrsysteme der Region miteinander verbinden kann.

Am Roten Meer, wo am Freitag auch die Staatsoberhäupter des Golfkooperationsrates GCC ihr jährliches Gipfeltreffen abhalten, wird auch der Krieg im Jemen ein Thema sein. «Dieser Krieg muss enden, weil er zu einer humanitären Katastrophe – mit bislang über 150’000 Toten – geführt hat», sagte Biden im Februar 2021 wörtlich. Die amerikanische Denkfabrik Brookings sieht in Bidens Nahost-Reise «eine Chance, den Krieg im Jemen endgültig zu beenden». Wichtigste Voraussetzung dafür wäre eine grundsätzliche Verständigung zwischen Riad und Teheran.

Diese ist allerdings ebenso wenig in Sicht ist wie eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit Iran. Der Vertrag stösst sowohl in Saudi-Arabien als auch in Israel auf heftigen Widerstand.