Hände weg vom Schweizer Franken: Thomas Jordan wehrt sich gegen politische Einflussnahme
Nationalbank-Chef Thomas Jordan hatte sein Publikum in Washington kaum überrascht, als er diese Woche bei einem Vortrag im konservativen Think-Tank Peterson Institute for International Economics feststellte: «Mancherorts wird die Unabhängigkeit der Zentralbanken öffentlich in Frage gestellt.»
Schliesslich war es die Trump-Regierung, die als Erstes offen und heftig an diesem wirtschaftspolitischen Tabu zu rütteln begann. Seit der Pandemie hat das Phänomen weltweit um sich gegriffen. Für eine wirksame Reaktion auf diese «höchst ungewöhnliche» Wirtschaftskrise sei eine Kooperation zwischen Geld- und Fiskalpolitik notwendig und gerechtfertigt gewesen, räumte Jordan ein.
Der politische Druck nimmt zu und wirkt
Aber jetzt müssten die Zentralbanken «unmissverständlich signalisieren, dass diese Koordination kein erster Schritt hin zu einer Geldpolitik war, die von fiskalischen Notwendigkeiten dominiert wird». Die Gefahr, dass genau dies nicht passiere, sei «akut».
Jordan nannte verschiedene Ökonomen, die im ersten Jahr der Pandemie die Verteilung von Helikoptergeld oder die Verwendungen der Notenbankbilanz für konjunkturpolitische Zwecke angeregt hätten. Unter ihnen auch Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
Zu einem derartigen «Missbrauch der Geldpolitik», wie sich Jordan ausdrückte, ist es mindestens in den Industrieländern bislang aber noch nicht gekommen. Hingegen könnten sich subtilere Formen, die Jordan unter dem Begriff «fehlgeleitete Geldpolitik» subsumiert, hier und dort bereits eingeschlichen haben.
Die grosse Unsicherheit in den Notenbanken über die makroökonomischen Aussichten und strukturelle Trends wie eine mögliche Deglobalisierung unterminierten geldpolitische Gewissheiten und schafften einen grossen Entscheidungsspielraum.
«Im gegenwärtigen Umfeld ist deshalb eine Tendenz hin zu einem leicht expansiven geldpolitischen Kurs möglicherweise durch politischen Druck bedingt, da die Unsicherheit einen Entscheid rechtfertigen kann, der den öffentlichen Finanzen in die Hände spielt», vermutet Thomas Jordan.
Konjunkturstützung oder Inflationsbekämpfung?
Die Notenbanken hätten ein Motiv, ihre eigenen Analysen eher zu Gunsten einer expansiveren Geldpolitik zu interpretieren, um auf diese Weise in der kurzen Frist einen politischen Druck zu vermeiden, warnte Jordan.
Sie könnten sich derzeit auch veranlasst sehen, die Vermeidung eines Konjunkturabschwungs mit all seinen negativen Folgen für die vielfach hoch verschuldeten Länder höher zu gewichten als das Risiko einer steigenden Teuerung, weil gegenwärtig immer noch schwer zu erkennen sei, ob der Inflationsdruck von dauerhafter oder doch eher von vorübergehender Natur sei.
Und schliesslich sei es in der derzeit beobachteten Inflation nicht einfach zwischen einmaligen Anpassungseffekten in der Produktion und langfristigen Effekten in der Nachfrage zu unterscheiden, was wiederum Gründe gegen eine ausreichende Straffung der Geldpolitik liefern könnte und den öffentlichen Finanzen zugutekäme.
Angesichts der höheren Staatsverschuldung und der strukturellen wirtschaftlichen Unsicherheit könnten sich die Zentralbanken in der aktuellen Wirtschaftslage in ihrem Urteil beeinflussen lassen, um Kritik aus der Politik zu vermeiden: «Die Zentralbanken sollten bei ihren ökonomischen Analysen Selbstkritik walten lassen. Sie müssen sich stets bewusst sein, dass sie der Politik einen Dienst erweisen, wenn sie bei der Straffung der Geldpolitik auf der vorsichtigen Seite bleiben», mahnte Jordan. Die Übersetzung des Vortrages ist denkbar simpel: Hände weg vom Schweizer Franken.