Breite Allianz will Asylbewerbern ein Privileg bei der Krankenversicherung streichen
Offiziell wird in der Schweiz zwar die freie Arztwahl hochgehalten, diese einzuschränken ist politisch praktisch unmöglich. Inoffiziell ist die freie Arztwahl jedoch längst Geschichte: Rund 80 Prozent der Schweizer verzichten freiwillig darauf und haben sich 2022 für ein alternatives Versicherungsmodell entschieden. Das geht aus der Statistik des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hervor. 2012 lag der Anteil anderer Versicherungsformen erst bei 58 Prozent. Über alle Alterskategorien hinweg beträgt er heute 77 Prozent.
Wer auf die freie Arztwahl verzichtet und ein Alternativmodell wählt, profitiert von einem Prämienrabatt. Zu den Alternativmodellen gehören zum Beispiel das Hausarztmodell, in dem der Hausarzt immer die erste Ansprechperson ist für den Versicherten. Andere Erstanlaufstellen können aber auch Ärztenetzwerke sein oder telefonische Beratungsstellen im sogenanntenTelmed-Modell.
FDP-Nationalrat Marcel Dobler sagt deshalb: «Der Verzicht auf die freie Arztwahl ist das neue Standardmodell.» Die Beliebtheit der alternativen Modelle hat mit den Prämienrabatten zu tun. Versicherte können gemäss Dobler im Durchschnitt zwischen 15 und 25 Prozent sparen.
Einsparpotenzial von 200 bis 400 Millionen Franken
Es gibt indes Bevölkerungsgruppen, die ihre Krankenkassenprämien nicht selbst bezahlen und von Gesetzes wegen im sogenannten Standardmodell versichert sind – sie können ihren Arzt frei wählen. Dazu gehören die Empfänger von Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe sowie Personen im Asylprozess (sofern sie nicht mehr in einem Bundesasylzentrum sind). Dobler stört sich daran, dass diese Personen bessergestellt sind als 80 Prozent der Bevölkerung.
Er hat deshalb in der Wintersession eine Motion eingereicht, die fordert, dass Personen, die ihre Krankenkassenprämien nicht selbst bezahlen, künftig ein alternatives Versicherungsmodell wählen müssen. Der Vorstoss ist breit abgestützt mit Unterschriften aus SVP, FDP, Mitte und GLP.
Dobler will allerdings begründete Ausnahmen zulassen. Etwa, wenn ein Arzt die Sprache des Versicherten spreche und es somit keinen Übersetzer brauche. Auch im Strafvollzug oder in Bundesasylzentren könnte von der neuen Regelung abgewichen werden, schreibt Dobler in seinem Motionstext.
Der FDP-Nationalrat schätzt, dass die öffentliche Hand mit seinem Vorschlag jährlich 200 bis 400 Millionen Franken sparen könnte.
Kantone kennen unterschiedliche Regelungen
Das dürfte eine optimistische Schätzung sein. Denn gewisse Kantone haben reagiert und ihre Leistungen für Sozialhilfebezüger zurückgefahren. Allerdings ist die Situation aufgrund des Kantönligeists unübersichtlich. So bekommen Sozialhilfeempfänger im Kanton Aargau bereits seit acht Jahren nur noch die individuelle Prämienverbilligung (IPV), die dem Durchschnittswert der jeweils zehn günstigsten Prämien im Aargau für HMO- oder Hausarztversicherungsmodelle entspricht. Andere Kantone setzen weiterhin auf das Standardmodell, fordern Sozialhilfebeziehende, die bei einer teuren Krankenkasse sind, aber auf, wenn möglich zu einer günstigen Kasse zu wechseln. So steht es etwa im Sozialhilfehandbuch des Kantons Zürich.
Nochmals anders präsentieren sich die Regeln im Asyl- und Flüchtlingsbereich. Die Konferenz der kantonalen Sicherheitsdirektoren hält auf Anfrage fest, dass die Kantone schon heute bezüglich Krankenversicherungsmodell die kostengünstigsten Lösungen wählen.