Sie sind hier: Home > Fussball > Wie Phönix aus der Asche und König Midas: Wie Italien nach dem EM-Debakel in der Nations League durchstartet

Wie Phönix aus der Asche und König Midas: Wie Italien nach dem EM-Debakel in der Nations League durchstartet

Nur drei Monate nach der enttäuschenden EM brilliert Italien in der Nations League. Was hat sich geändert im Team von Trainer Luciano Spalletti? Weshalb träumen sie in Italien nun vom besten Nationalteam seit Jahrzehnten? Und was hat das alles mit Totò Schillaci zu tun?

Am Anfang wurde es nostalgisch. Bevor die italienische Nationalmannschaft zu ihrem Nations-League-Spiel gegen Belgien antrat, dimmten sie im Römer Stadio Olimpico das Licht. Auf der Videowand erschien das Bild von Totò Schillaci, dem vor wenigen Tagen verstorbenen Helden der Heim-WM von 1990. Dann wurden zu den Klängen des Evergreens «Notti Magiche» die sechs WM-Tore Schillacis gezeigt.

Die Würdigung von «Totogol» wurde auch zur Sehnsuchtsfahrt der Tifosi. Schillaci und WM 1990 – was waren das noch für Zeiten! Weltmeister wurde Italien damals zwar nicht, aber noch heute sind sie überzeugt, dass dies die beste «Squadra Azzurra» der letzten Jahrzehnte war.

Und wer weiss, vielleicht findet jenes Team von Schillaci in der aktuellen Generation bald seinen Nachfolger. Das tönt wenige Monate nach einer schwachen EM mit dem blamablen Ausscheiden gegen die «Piccola Svizzera» reichlich verwegen. Doch wer Italien in den ersten drei Spielen der Nations League gesehen hat, der rieb sich tatsächlich verwundert die Augen. Denn da entsteht gerade eine Mannschaft, die spektakulären und erfolgreichen Fussball spielt.

Die «Gazzetta dello Sport» jedenfalls schrieb am Tag nach dem 2:2 gegen Belgien: «Nach den Klängen von Gianna Nannini und Edoardo Bennato war es auch auf dem Rasen während mehr als einer halben Stunde eine magische Nacht. (…) Dieses Italien war so schön, dass einem schwindlig wurde.» Nach 59 Sekunden führten die Italiener 1:0, nach 25 Minuten fiel der zweite Treffer. Die Kombinationen, die zu diesen Toren führten, waren herausragend. Ähnlich wie vor einem Monat beim 3:1-Auswärtssieg gegen Frankreich.

Dass es am Ende nicht zum Sieg reichte? Geschenkt. Ein Unfall, weil Mittelfeldspieler Lorenzo Pellegrini kurz vor der Pause unnötig die rote Karte sah. In Unterzahl kassierte Italien noch zwei Tore. Es bleibt in seiner Gruppe trotzdem Leader vor Frankreich.

Ein Rückkehrer und ein Überraschungsmann verzaubern Italien

Das alles führt natürlich zur Frage, wie dieser Stimmungswandel, dieser Aufschwung in so kurzer Zeit möglich war. Zumal Trainer Luciano Spalletti das Team nach der EM nicht radikal umbaute. Gegen Frankreich und Belgien liess er zweimal die haargenau gleiche Formation beginnen. Mit neun von elf Spielern, die schon an der EM dabei waren.

Doch der Teufel liegt bekanntlich im Detail: Klar, ein im taktischen System Spallettis entscheidender Spieler wie der gegen Belgien überragende Inter-Aussenläufer Federico Dimarco ist in ganz anderer Verfassung als noch im Juni. Doch vor allem haben genau die beiden neu Dazugestossenen das Team wiederbelebt. Samuele Ricci und Sandro Tonali führen nun Regie im Mittelfeld. Tonali, das ist der junge Mann, der vor einem Jahr für zehn Monate gesperrt wurde, weil er in seiner Zeit als Milan-Spieler auf Partien seines Klubs und der eigenen Liga gewettet hatte. Wie sehr der Newcastle-Professional Italien an der EM fehlte, wird nun offensichtlich.

Während man sich von der Rückkehr Tonalis viel versprochen hatte, schlug Samuele Ricci ein wie ein Komet. Vor der EM war er noch aus dem Kader geflogen, nun spielt der Stratege von Mittelfeld-Klub Torino vor der Abwehr so gut, dass er auch auf dem Radar von Pep Guardiola aufgetaucht ist. Es ist zu vermuten, dass der Spanier den 23-jährigen Ricci im Januar für eine italienische Rekordsumme als Ersatz für den verletzten Europameister Rodri zu Manchester City holt.

Mateo Retegui wie einst Totò Schillaci

Einer wie Totò Schillaci? Italiens Torschütze Mateo Retegui.
Bild: Ettore Ferrari / EPA

Und dann ist da auch noch Mateo Retegui. Der 25-jährige Mittelstürmer war an der EM noch der Ersatz von Gianluca Scamacca, seinem Teamkollegen bei Atalanta Bergamo. Nach dessen Kreuzbandriss ist Retegui nun im Klub und im Nationalteam die unbestrittene Nummer 1 im Sturmzentrum und mit sieben Treffern Co-Leader der Serie-A-Torschützenliste. «Er ist wie König Midas: Was er anfasst, wird zu Gold», schrieb die «Gazzetta».

Gegen Belgien schoss Retegui das 2:0. Ein Abstauber aus spitzem Winkel auf der Nordseite des Olimpico. Exakt wie Schillaci vor 34 Jahren im WM-Viertelfinal gegen Irland. Wenn das mal nicht ein gutes Omen ist.

Schreiben Sie einen Kommentar