Experten drücken auf das Tempo: Bis Freitag muss Brienz evakuiert sein
Jetzt muss es schnell gehen. Für das Bündner Bergdorf Brienz gilt nun die «Phase Orange». Konkret bedeutet dies, dass die Einwohnerinnen und Einwohner aufgefordert sind, das Dorf bis Freitagabend zu verlassen. Das habe der Gemeindeführungsstab entschieden, heisst es in einer Mitteilung vom Dienstag.
Die ansässige Bevölkerung dürfe danach nicht mehr im Dorf übernachten. «Ab Samstag wird den Bewohner:innen tagsüber ein vorübergehendes Betreten des Dorfes Brienz/Brinzauls ermöglicht, solange die Gefährdungslage es zulässt», heisst es in der Mitteilung. Das Grossvieh von zwei Bauernbetrieben bleibe vorerst in den Ställen.
Ein Felsvolumen von bis zu 2 Millionen Kubikmetern bewege sich so stark, «dass in den kommenden ein bis drei Wochen damit zu rechnen ist, dass es abbricht». Erst am vergangenen Freitag hatte die Gemeinde die «Phase Gelb» ausgerufen. In dieser sollten die Einwohnerinnen und Einwohner die Vorbereitungen für die Evakuierung so schnell wie möglich abschliessen. Damals rechneten die Experten noch mit zwei bis sechs Wochen, bis der Fels abbricht.
Am Abend wird die Bevölkerung informiert
Brienz/Brinzauls steht seit Jahren unter Beobachtung, weil sich Gesteinsmassen über und unter dem Dorf bewegen. Erst Mitte April hatten die Behörden die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich für eine Evakuation bereit zu machen. Diese könne mit wenigen Wochen Vorlauf angekündigt werden, hiess es in der damaligen Phase Grün.
Am Dienstagabend findet ein Informationsanlass für die Bevölkerung statt. In Brienz leben rund 100 Personen und befindet sich an der Verbindungsstrasse von Lenzerheide nach Davos auf einer Höhe von rund 1150 Metern. Dauert es nur noch kurz, bis der Fels abbricht, so ruft die Gemeinde die «Phase Rot» aus. In dieser ist es auch tagsüber verboten das Dorf zu betreten.
Drei Szenarien für den Bergsturz
Zum Abbrechen der sogenannten «Insel» gebe es drei Szenarien, schreibt die Gemeinde. Diese könne teilweise oder ganz abbrechen. Wie genau das passieren werde, könne derzeit nicht gesagt werden. «Am wahrscheinlichsten sind zahlreiche Felsstürze (von einigen tausend bis mehreren hunderttausend Kubikmetern)», heisst es in der Mitteilung. «Halb so wahrscheinlich» sei ein langsames, aber lange andauerndes Abrutschen als Schuttstrom.
Unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen sei «ein grosser, schneller und weitreichender Bergsturz (mit mehr als 500’000 Kubikmetern)». Je näher das Ereignis komme, desto genauer könne man eine Prognose machen.
Die Behörden schreiben auch, dass auch eine raschere Evakuierung möglich sei, wenn sich die Gefährdungslage «unerwartet rasch verschlechtern» würde.