Nach der Arbeit im Schlafzimmer kommt das Schlafen im Büro
Die Grenzen zwischen Wohnen und Arbeiten verschwimmen weiter. Der auf Gewerbeliegenschaften spezialisierte Immobilienanbieter Wintraxis sieht darin ein Geschäft: In Absprache mit den Nutzern rüstet er Gewerbeflächen mit Nasszellen und Kochzeile auf und macht daraus ein «Office-Home». Die Markenrechte hat sich die Firma europaweit gesichert, die Austragung der zonen- und baurechtlichen Konflikte stehen jedoch erst an.
Geschäftsführer Grischa Heinz sagt:
«Der Bundesrat hat die ganze Schweiz ins Home-Office geschickt, weshalb soll umgekehrt das zeitweise Wohnen im Büro nicht möglich sein?»
Wenn sich die Immobilie in einer reinen Gewerbezone befindet, steht eine schnelle Antwort bereit: Weil eine Wohnnutzung in einer Industrie- und Gewerbezone grundsätzlich ausgeschlossen, beziehungsweise nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig ist. Etwa für Personal, das zur Beaufsichtigung des Betriebs ständig auf dem Areal anwesend sein muss. Mehrfach wurden Bauherren schon gerichtlich zurückgebunden, wenn diese Regel zu grosszügig ausgelegt und dagegen auch geklagt wurde.
Doch auf dem zweiten Blick wird es bereits komplizierter, etwa bei der Abgrenzung, wo die Arbeit aufhört und das Wohnen anfängt. Oder konkreter: Worin sich das Nickerchen während einer Arbeitspause rechtlich von einem mehrstündigen Schlaf über Nacht genau unterscheidet? Heinz sagt, in vielen Gewerberäumlichkeiten stehe heute ein Klappbett bereit, das zum Einsatz komme, wenn sich eine Arbeit in die Nacht zieht. Mit dem Office-Home sollten diese Büroübernachtungen auch mit einem gewissen Komfort verbunden sein, mit Kochgelegenheit gegen den Hunger sowie mit Dusche und WC für die Hygiene.
Die Büros sind längst Wohnlandschaften
Es gehe nicht darum, einen neuen Wohnungsmarkt zu schaffen, meint Heinz. Seine Privatadresse werde man nicht beim Büroort anmelden können. Doch wer beruflich zwei oder drei Tage pro Woche auswärts übernachten müsse, könne dies doch im Büro tun, statt sich in einem Hotel einzumieten.
Auch ohne Übernachtungsmöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren Büro- in Wohnlandschaften gewandelt. Vom frühen Kontor, das mit reihenweise aufgestellten Bürotischen an die industrielle Produktion in der Werkhalle erinnerte, ist nichts übrig geblieben. Die modernen Bürokonzepte sind farbiger, gemütlicher, wohnlicher.
Der Büromöbelhersteller Vitra entwickelte bereits in den 1990er Jahre das «Citizen Office», das auch den sozialen und emotionalen Bedürfnissen während der Arbeitszeit gerecht werden sollte. Eine Kocheinrichtung, die etwa nötig ist, um aus einer Einheit von abschliessbaren Zimmern auch rechtlich eine Wohnung zu machen, gehört heute weitgehend zur Grundausstattung eines Bürokomplexes.
Die Umnutzung in Mischzonen schreitet voran
In gemischten Wohn- und Gewerbezonen finden sich heute zahlreiche Beispiele, wie aus dem latenten Überangebot an Büroflächen durch Umbauten zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird. Doch auch in reinen Gewerbezonen steigt der Druck auf eine zumindest zusätzliche Nutzung. Beispiele für ein Umdenken gibt es: Im Südtirol ist etwa 2018 ein Gesetz in Kraft getreten, wonach ein Betrieb auch in Gewerbezonen für die Hälfte seiner Belegschaft und maximal zehn Personen auf dem Gelände Einzelzimmer samt Gemeinschaftsküche anbieten darf.
Heinz plant eine sanfte Markteinführung des Office-Home-Konzepts. Erste Logis sind auf dem Gewerbegebiet Dreispitz in Basel ausgeschrieben. Angeboten werden derzeit Flächen im Rohbau; der effektive Mietzins werde sich danach richten, welchen Ausbaustandard der Mieter verlangt. Mit zunehmender Erfahrung sollen dann fertig ausgebaute Büro-Wohnungen ausgeschrieben werden, zuerst schweizweit und wenn es klappt auch europaweit. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Behörden dem Geschäft nicht mit zonenrechtlichen Argumenten den Boden entziehen.