Finanzkontrolle bemängelt: Armee leistete unnötige Einsätze während der Pandemie
Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat den Einsatz der Armee, des Zivildienstes und des Zivilschutzes während der ersten Corona-Welle untersucht und ausgewertet. Das Fazit des Direktors Michel Huissod:
«Die gute Nachricht ist: Wir wissen, was verbesserungswürdig wäre. Die schlechte Nachricht ist: Wir machen es nicht.»
Die Finanzkontrolle hat die Ergebnisse nun in einem Bericht veröffentlicht. Darin steht, dass die Koordination zwischen Armee, Zivildienst und Zivilschutz auf Bundesebene ungenügend funktioniert habe. Die Zuständigkeiten seien nicht klar definiert gewesen. «Dass hier überhaupt noch Handlungsbedarf bestand, ist für die EFK nicht nachvollziehbar», heisst es.
Warum? Eigentlich hat die Sicherheitsverbundsübung 2014 bereits alle Mängel im Bereich Kommunikation und Koordination offengelegt. Es handelte sich damals um einen nationalen Probelauf im Falle einer Pandemie.
Finanzkontrolle übt Grundsatzkritik
Bei dieser Übung hatten verschiedene Krisenstäbe von Spitälern, Behörden und Einsatzkräfte zusammengearbeitet. Doch die daraus gewonnen Erkenntnisse konnten sieben Jahre später bei der Corona-Pandemie nicht umgesetzt werden. Wie zum Beispiel, dass der Informationsfluss zwischen den verschiedenen Stellen verbessert werden müsse. Das war 2014 eine Empfehlung.
Huissoud findet klare Worte: «Der Informationsfluss funktionierte damals nicht und er funktionierte dieses Mal auch nicht.» Deshalb übt die EFK eine Grundsatzkritik und schreibt: «Es stellen sich Fragen bezüglich der wirksamen Umsetzung der Lehren, die aus Übungen gezogen werden.»
Zu grosse Truppenaufgebote
Was tun? Die EFK empfiehlt in ihrem Bericht, den Bevölkerungsschutz (BSTB) zu stärken. Dieser verfügt mit dem sogenannten «Ressourcenmanagement Bund» über einen Mechanismus, der sämtliche Begehren für den Einsatz von Dienstpflichtigen zu beurteilen hat, also unabhängig ob militärischer oder ziviler Natur. Der Bevölkerungsschutz hat unter anderem die Aufgabe, zwischen Zivildienst, Zivilschutz und Armee zu triagieren, wenn Personalbegehren von zivilen Behörden vorliegen.
«Die Armee hat sich im Zusammenspiel mit den Kantonen unter Missachten der rechtlichen Voraussetzungen der Zuständigkeit des BSTB entzogen und diesen in der Corona-Pandemie einmal mehr übersteuert», sagt Franziska Roth, SP-Mitglied in der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Sie hatte zu Beginn der Pandemie in einer Interpellation die Koordination des Bundes kritisiert. Viel zu gross seien die Truppenaufgebote.
Das Potenzial von Zivildienstleistenden, die ohnehin im Einsatz standen, werde ungenügend ausgeschöpft. Die Nationalrätin sieht nun mit dem Bericht der Finanzkontrolle ihre Kritik bestätigt. Sie sagt: «Auch die Armee und die Kantone müssen endlich die Zuständigkeit des BSTB anerkennen, sämtliche Personalbegehren von zivilen Behörden zu beurteilen.» Der Bevölkerungsschutz soll, wie in der Verordnung vorgesehen, allein darüber entscheiden, ob die Armee, der Zivilschutz oder der Zivildienst zum Einsatz kommen solle.
Die Missachtung von dessen Zuständigkeit durch Armee und Kantone sei der Hauptgrund dafür, dass es zu einer Fehlallokation der Ressourcen kam und die lohnprozentfinanzierte Erwerbsersatzordnung von unnötigen Armeeeinsätzen beansprucht worden sei.
Worst-Case-Szenarien zu Beginn der Pandemie
Obwohl die Finanzkontrolle harsche Kritik am Einsatz von Dienstpflichten übt, berücksichtigt sie auch, dass der Beginn der Pandemie von grosser Unsicherheit geprägt war. Die Situation war schliesslich herausfordernd für alle. «Bund und Kantone bereiteten sich auf Worst-Case-Szenarien vor, etwa durch eine breite Mobilisierung der sanitätsdienstlichen Mittel der Armee, durch das nationale Aufgebot des Zivilschutzes oder durch Aufgebote zu Notlage-Einsätzen des Zivildienstes», heisst es.
Bei einem schwereren Verlauf, wenn die verfügbaren Mittel nicht mehr ausgereicht hätten, um allen Begehren zu entsprechen, hätte dies zu einer problematischen Situation führen können, so die Finanzkontrolle. Doch soweit kam es nicht.