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Illegale Adoptionen aus Sri Lanka und Indien: Aargau will Betroffene besser unterstützen

Tausende Kinder aus dem Ausland wurden zwischen 1970 und 2000 vermutlich illegal in die Schweiz adoptiert. Um den Betroffenen bei der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit zu helfen, haben 14 Kantone eine Austausch-Plattform gegründet.

Rund 8000 Kinder aus dem Ausland adoptierten Schweizer Paare zwischen 1970 und 2000. Nicht selten wurden die Kinder ihren leiblichen Familien in Sri Lanka, Indien oder Rumänien auf betrügerische Weise entrissen. Das zeigen zwei Berichte im Auftrag des Bundesrats, der letzte wurde Ende 2023 veröffentlicht. Eine der Schlussfolgerungen: Die Behörden haben ihre Verantwortung nicht ausreichend wahrgenommen. Bei verdächtigen Dokumenten oder fehlenden Herkunftsangaben schauten sie zu oft weg.

Die Aufsichtspflicht über die Organisationen, die die Adoptionen vermittelten, lag damals bei den Kantonen. Deshalb seien sie auch verantwortlich, die Betroffenen bei der Herkunftssuche zu unterstützen, teilte der Bundesrat mit. Dieser Aufgabe nehmen sich 14 Kantone nun gemeinsam an. Sie haben dazu die Austausch-Plattform Internationale Adoptionen gegründet, wie die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren am Freitag mitteilte.

Regierungsrat hatte sich schon früher positioniert

Mit dabei ist auch der Kanton Aargau, der an der Strategietagung gleichentags durch Regierungsrat Dieter Egli vertreten war. Die Plattform diene primär dem Austausch, sie könne aber auch rechtlich unverbindliche Leitlinien zur Aufarbeitung von mutmasslich illegalen Adoptionen erarbeiten, heisst es im Communiqué. Angestossen hat das Projekt Bundesrat Beat Jans, der die Kantone im Frühjahr 2024 zu einem ersten Austausch eingeladen hatte.

Die Aargauer Regierung hatte bereits im Juni angekündigt, sich an der interkantonalen Plattform zu beteiligen. Dies, nachdem SP-Grossrätin Lelia Hunziker in einer Motion gefordert hatte, der Kanton solle illegal Adoptierte bei der Herkunftssuche mit zusätzlichen finanziellen Mitteln unterstützen – etwa bei Rechtsberatungen, Reisen ins Herkunftsland oder DNA-Analysen, wie dies eine Arbeitsgruppe der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren empfohlen hatte.

Nachdem der Regierungsrat den Vorstoss zur Ablehnung empfohlen hatte, zog Hunziker diesen zurück. Die Antworten hätten gezeigt, dass der Aargau in diesem Bereich für einmal schon mehr mache als andere Kantone, sagt Hunziker gegenüber der AZ. Der Entscheid sei aber auch aus strategischen Gründen erfolgt, weil sie und die anderen Mitunterzeichnenden nicht daran geglaubt hätten, dass ihre Forderung eine Mehrheit findet.

Über 700 ausländische Kinder im Aargau adoptiert

In seiner Stellungnahme wies der Regierungsrat darauf hin, dass eine Fachstelle im Departement für Volkswirtschaft und Inneres (DVI) seit Jahren Adoptierte, aber auch deren leibliche Eltern oder Geschwister, bei der Herkunftssuche unterstütze. Für diese Leistungen würden keine Gebühren erhoben. Zudem habe der Kanton Aargau als einer der ersten aus dem Lotteriefonds Geld für den Verein Back to the Roots gesprochen. Dieser begleitet und berät Betroffene beim Prozess der Herkunftssuche.

Heute erhält der Verein im Rahmen eines Pilotprojektes Gelder von Bund und Kantonen, allerdings nur noch bis Ende 2024 – und nur für die Unterstützung von Menschen aus Sri Lanka. Dass auch bei Kindern aus Indien illegale Adoptionspraktiken weit verbreitet waren, offenbarte zuletzt eine im September veröffentlichte Studie dreier Historikerinnen, die von den Kantonen Thurgau und Zürich in Auftrag gegeben worden war.

Im Aargau gab es bisher noch keine solche Untersuchung. Stattdessen würden einzelne Fälle aufgearbeitet, wenn die Betroffenen ein Gesuch stellten, schreibt Sandra Olar, Sprecherin beim DVI auf Anfrage. Von 1973 bis 1999 seien im Aargau 769 ausländische Kinder adoptiert worden.