
Wer das Gesicht verschleiert, zahlt 100 Franken Busse: Wie arabische Touristinnen das Verhüllungsverbot umgehen
Ob Stoppschild überfahren, Kiffen oder Ausrupfen einer geschützten Pflanze: über 400 verschiedene Vergehen gibt es, die eine Busse zur Folge haben. Und seit Anfang Jahr ist die Liste um einen weiteren Eintrag länger: dem Verstoss gegen das Verhüllungsverbot.
100 Franken werden fällig, wer sein Gesicht im öffentlichen Raum verschleiert. Das Verhüllungsverbot gilt seit Anfang Jahr. Damit wird die «Burka-Initiative» umgesetzt, die die Schweizer Stimmbevölkerung 2021 angenommen hat.
Nur eine Handvoll Bussen
Bisher ist allerdings kaum eine verschleierte Muslimin gebüsst worden. Im Kanton Bern ist seit Anfang Jahr gerade einmal eine Busse ausgesprochen worden. In der Stadt Zürich sind es vier Bussen, wie die Stadtpolizei auf Anfrage von CH Media mitteilt. Wie viele es im gesamten Kanton sind, kann die Kantonspolizei nicht sagen. Genf hat in den ersten Monaten des Jahres drei Bussen ausgestellt – alle am Flughafen.
Bei den Gebüssten muss es sich nicht unbedingt um Frauen handeln, die aus religiösen Gründen das Gesicht verschleiern. Auch vermummten Hooligans oder Demonstranten droht eine Busse. Doch im Gegensatz zu Nikab oder Burka war diese Art der Gesichtsverhüllung schon vorher in vielen Kantonen nicht gestattet.
In St. Gallen und dem Tessin ist auch der Gesichtsschleier bereits seit einigen Jahren verboten. Seit 2019, als das Verbot in St. Gallen in Kraft trat, hat die Polizei keine einzige Busse verhängt.
Musliminnen wissen sich zu helfen
Dies liegt einerseits daran, dass es in der Schweiz schlichtweg nur sehr wenige vollverschleierte Musliminnen gibt. Auch nicht viele Touristinnen.
Andererseits kennen die muslimischen Touristinnen einen Trick, um das Verhüllungsverbot zu unterlaufen: Statt eines Gesichtsschleiers tragen sie Kopftuch und Hygienemaske. Denn das Verhüllen des Gesichts aus gesundheitlichen Gründen ist und bleibt erlaubt.
Der Trick mit der Maske habe sich schnell herumgesprochen, sagt der Leiter eines Reisebüros in Interlaken, das speziell auf arabische Gäste ausgerichtet ist, zu Radio SRF.
Den Behörden sind die Hände gebunden
Bereits vor Annahme der Verhüllungsverbots-Initiative – und noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie – war diese Umgehungsmöglichkeit Thema. Im Tessin, wo der Gesichtsschleier seit neun Jahren verboten ist, reichten rechte Kantonsräte 2019 einen Vorstoss ein, der die Regierung aufforderte zu prüfen, wie man das Schlupfloch schliessen könnte. Doch geschehen ist daraufhin nichts.
Auch die Berner Kantonspolizei gibt auf Anfrage von Radio SRF an, gegen das Schlupfloch machtlos zu sein. «Wir wissen ja nicht, ob die Frauen wirklich krank sind oder nicht», sagt eine Sprecherin. In anderen grösseren Kantonen hat man keine Kenntnis von Touristinnen, die das Verbot auf diese Weise umgehen – oder man kann dazu keine Auskunft geben.
Das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen ist übrigens nicht die einzige Ausnahme vom Verhüllungsverbot. Auch Fasnächtler müssen keine Busse fürchten, wenn sie ihr Gesicht hinter einer Larve verstecken. Und im Winter bleibt es erlaubt, den Schal etwas tiefer ins Gesicht zu ziehen.