Carl Pei hat die chinesische Marke OnePlus gross gemacht – nun zeigt er an der Art Basel das Smartphone der Zukunft
Gutes Marketing ist eine Kunst. Nicht nur deshalb hat Start-Up-Millionär Carl Pei das Design seines neuen Nothing-Phone (1) diese Woche an der Art Basel präsentiert. Im spektakulären Stil von Apple setzte er auf eine Lichtshow mit Nebel auf einem schwimmenden Boot – dann erst wurde das Design seiner neuen Handys bei flackerndem LED-Licht enthüllt.
Die Show passte perfekt zur Philosophie von Pei: Der in Schweden aufgewachsene Tech-Unternehmer mit chinesischen Wurzeln liebt es, komplizierte Technologie ganz simpel aussehen zu lassen. Das zeigt sich schon beim Logo seines zweiten Start-Ups «Nothing». Weisse Punkte auf schwarzem Hintergrund setzen sich zum englischen Wort für «Nichts» zusammen. Es soll an eine einfachere Zeit erinnern, in der man auf Bildschirmen noch Pixel sah und das Leben ohne Kommunikationsstress funktionierte. Pei erklärt:
«Smartphones sind heute zu stark aufs Hirn ausgerichtet»
Die Geräte der grossen Hersteller seien zwar technisch gut und würden immer besser. Doch sie seien das Resultat total rationaler Entscheide bei der Konzeptfindung. Das verhindere, dass neue Modelle wirklich innovativ seien. «Die beste Technik zu haben reicht nicht. Um die Leute für ein Handy zu begeistern, muss die Technologie den Nutzern auch ein gutes Bauchgefühl geben», ist der ehemalig OnePlus-Direktor überzeugt.
Die Nerds sollen zuerst überzeugt werden
Carl Pei und sein Team haben deshalb bei der Konzeption des Nothing-Phone (1) ausdrücklich auf eine Reihe von Easter Eggs und Spielereien gesetzt, die vielleicht nicht immer objektiv zu rechtfertigen sind. Auf der Rückseite des ersten Nothing-Phones blinken beispielsweise Lichter, die auf eingehende Nachrichten hinweisen können. Das ist auf den ersten Blick nicht unbedingt nötig, macht aber zumindest optisch einiges her – genauso wie die mit Schrauben und kantigen Kleinteilen überzogene Oberfläche.
Pei will damit vor allem technikaffine Kunden erreichen, denen iPhone und Samsung zu mainstreamig geworden sind. Mit einer ersten Charge von 900 000 Phone (1)s, die ab Mitte Juli erhältlich sind, wird Nothing die etablierten Player zwar nicht wirklich konkurrieren können. Die Zahl könnte aber reichen, um im besten Fall bei den richtigen Nischengruppen einen Hype für spätere Versionen auszulösen.
Die dafür nötigen Voraussetzungen hat Pei mit klugen Partnerschaften geschaffen. In Deutschland wird das Phone (1) exklusiv bei der Deutschen Telekom erhältlich sein, in Grossbritannien beim grössten Mobilfunkanbieter O2. Das ist marketingtechnisch sehr geschickt, weil die Partner der Exklusivität wegen ein direktes Interesse am Erfolg haben. So hat O2 letzten Donnerstag als das Design des Phone (1) enthüllt wurde, das neue Smartphone auf Bildschirmen in all seinen englischen Stores gezeigt – ohne dass Pei dafür etwas bezahlt hat.
Geschäften kann der 33-Jährige also. Und wie es sich für einen Start-Up Gründer gehört, hat er auch sein Studium zuerst abgebrochen, bevor er erfolgreich wurde. Nachdem er in Schweden aufwuchs und in Stockholm an der Wirtschaftsfakultät zu studieren begann, schmiss er nach nur zwei Jahren alles hin. Er heuerte aus Interesse an der Technologie bei Nokia an und zog nach China. Drei Jahre später gründete er mit Unternehmer Pete Lau sein erstes Start-Up OnePlus, das in ganz Asien grosse Wellen warf und zeitweise sogar in den USA mehr Handys verkaufte als Google.
Politik soll helfen, die Technologie zu harmonisieren
Peis zweites Kind «Nothing» soll jetzt aber andere Märkte erobern. Hauptsitz und Entwicklungszentrum der Firma befinden sich in London, die Geräte werden fast vollständig in Indien produziert. «Die Zeit der grossen Chancen für Smartphone-Entwickler ist in China vorbei», erklärt Pei. Als er 2013 sein Start-Up gegründet habe, habe es noch nicht so viele etablierte Player gehabt wie heute. Aus seiner Sicht bieten Indien und Osteuropa momentan die interessanteren Entwicklungsmöglichkeiten, besonders für junge, kreative Unternehmen.
Als nächste grosse Entwicklung auf dem Handymarkt erwartet Pei den Abbau der technischen Barrieren. «Es ist zwar total gegen das Interesse von uns Herstellern. Aber ich glaube, dass die Politik eine Harmonisierung der technischen Systeme wird erzwingen müssen, sodass zum Beispiel Apple-Produkte auch mit unseren verbunden werden können». Denn das sei am Schluss eben doch die richtige Entwicklung für die Konsumenten.
Pei stellt klar:
«Mein Ziel ist auch, dass wir in 10 Jahren weniger Zeit am Handy verbringen als heute»
Technologie sei da um das Leben der Menschen zu verbessern, auch wenn sie das heute nicht immer tue. Manche Apps wie zum Beispiel TikTok machten die Welt nicht besser, sondern dümmer. Es sei deshalb nötig, dass die Entwickler auf ihren Geräten Anreize so setzen, dass diese dem Wohle der Konsumenten diene. Das will auch Pei in den nächsten Jahren tun.
Nachgefragt bei Nothing-Chef Carl Pei
Welches Handy benutzen Sie selbst momentan?
Carl Pei: Ich benutze momentan noch zwei Smartphones, zum einen unser eigenes Nothing-Phone (1). Zum anderen ein Iphone 13 Pro. Dieses halte ich aber immer seltener in der Hand.
Was ist wichtiger: Hardware oder Software?
Ich selbst habe eher einen Hardware-Hintergrund, schätze aber auch gute Programme.
Ist Asien oder Europa besser, um ein Unternehmen zu gründen?
In China sind die Menschen extrem gut punkto messbare Skills. Sie sind smart, ambitioniert und arbeiten sehr hart an technischen Lösungen. In Europa ist man dafür kreativer und findet schneller neue Ideen. London ist aus meiner Sicht das Zentrum für Start-Ups in Europa mit den meisten Talenten.
Hat Covid Ihre Planung durcheinander gebracht oder blieben Sie verschont?
Die Lieferketten waren für uns eine speziell grosse Herausforderung, an der wir das ganze letzte Jahre gearbeitet haben. Es war sowieso schwierig, weil fast alle neuen Handy-Start-Ups der letzten 10 Jahre gescheitert sind, und die Fabrikanten Angst haben, bei einem Deal mit einem jungen Unternehmen Geld zu verlieren.
Heute werden manche Talente direkt nach dem Studium in Europa von asiatischen Headhuntern abgeworben. Bot man Ihnen früher auch einmal eine solche Stelle an?
Nein, mich hat nie ein Rekrutierer angefragt. Ich habe damals meine eigenen Türen geöffnet.