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Die Ausrede mit dem Onlineshop zieht nicht: Abo-Betrüger will nicht ins Gefängnis

Das Bezirksgericht Kulm hat einen Mann verurteilt, der seinen Arbeitgeber um über 40'000 Franken betrogen hat. Der Mann wollte sich vor der Haftstrafe drücken und zog den Fall weiter ans Obergericht.

Emre (Name geändert) wählte Anfang 2019 einen besonderen Weg, um zusätzliches Einkommen zu erzielen. Der Mann Anfang 30 arbeitete damals alsVerkäufer bei einem Telekommunikationsunternehmen und hat bei seinem Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten mehr als 40’000 Franken ergaunert.

Denn Emre schloss in verschiedenen Filialen des Unternehmens, im Onlineshop und übers Callcenter im Namen seines Bruders Mobilabonnementverträge ab. Weil sein Bruder bereits Kunde des Unternehmens war, fiel die sonst übliche Identitätsprüfung weg. Zusammen mit dem Abo gönnte sich Emre jeweils auf Ratenzahlung auch ein neues Smartphone.

Die Mobiltelefone liess er danach auf sich oder seine damalige Frau umschreiben und veräusserte sie daraufhin für einen Preis von 900 bis 1100 Franken pro Stück im Internet. Emre ging gemäss Anklage gewerbsmässig vor, er hat mit dieser Betrugsmasche 28 Geräte erschwindelt und verkauft. Den Erlös verwendete er für seinen Lebensunterhalt.

Beschuldigter zweifelt Anklage an

Als er sich im Frühling 2023 vor Bezirksgericht Kulm für diese Taten verantworten musste, zeigte dieses eine gewisse Milde. Emre wurde nicht, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, für gewerbsmässigen Betrug verurteilt, sondern wegen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage. Der feine Unterschied: Bei Betrug wird ein Mensch getäuscht, beim betrügerischen Missbrauch ein technisches System. In diesem Fall eben die Identitätsprüfung des Telekommunikationsunternehmens.

Deshalb verurteilte ihn das Bezirksgericht zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, die Hälfte davon sollte Emre absitzen. Für den Rest gibt es eine Probezeit von drei Jahren. Zudem wurde der Beschuldigte verpflichtet, seinem ehemaligen Arbeitgeber Schadenersatz von 42’611 Franken zu leisten.

Emre wollte dieses Urteil aber nicht auf sich sitzen lassen, er legte Berufung ein. Konkret forderte er einen Freispruch von einigen Anklagepunkten, nämlich die Abo-Abschlüsse und Transaktionen, die er im Onlineshop des Telekommunikationsunternehmens getätigt haben soll. Das betrifft 10 der insgesamt 28 von der Staatsanwaltschaft gelisteten Transaktionen.

Emre forderte folglich eine angepasste Strafe: eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 80 Franken und eine vollumfänglich bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Ausserdem sei die Schadenersatzforderung des ehemaligen Arbeitgebers auf den Zivilweg zu verweisen.

Der Beschuldigte argumentierte, dass die Anklageschrift für den ersten Prozess nicht genau erklärt habe, wie die Transaktionen im Webshop verlaufen seien. Das Obergericht hält dagegen, aus der Tabelle der Anklageschrift gehe «unzweideutig hervor», an welchem Tag Emre welches Mobilabonnement im Namen seines Bruders abgeschlossen und welches Smartphone er daraufhin bezogen habe.

«Schlechtprognose» für Emre

Aus Sicht des Obergerichts haben sich die zehn Transaktionen im Onlineshop nur von den anderen unterschieden, weil Emre die Mobiltelefone nicht direkt im Laden in Empfang nehmen konnte, sondern sie zu sich nach Hause liefern liess. Das Obergericht lässt nicht die Milde walten, welche dem Beschuldigten vor dem Bezirksgericht vergönnt war, und stuft Emres Taten als Betrug ein.

Begründet wird dies mit der gewollten Täuschung der Mitarbeitenden, einem Lügengebäude, das der Beschuldigte aufbaute, und der Arglist, die er dabei an den Tag legte. So hat der Beschuldigte die Verträge bewusst in fünf verschiedenen Läden und bei wechselnden Mitarbeitenden abgeschlossen. Damit täuschte Emre die Angestellten gezielt und hat nicht bloss eine Datenverarbeitungsanlage missbraucht.

Das Obergericht hält deshalb – und wegen Emres mehrfacher, einschlägiger Vorstrafen – an der Strafzumessung des Bezirksgerichts fest. Denn der Beschuldigte wurde schon 2014 und 2018 für Missbrauch von Datenverarbeitungsanlagen verurteilt. Davon habe er sich nicht beeindrucken lassen, schliesst das Obergericht. Deshalb scheine nur eine Freiheitsstrafe geeignet, um den Beschuldigten von weiterer Delinquenz abzuhalten.

Denn auch wenn Emre geständig war und sich seit dem Abo-Betrug nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen, bleibt sein Lebenswandel unverändert. Denn seine berufliche und finanzielle Situation ist «alles andere als stabil», wie das Obergericht in seinem Urteil feststellt. Das ist eine sogenannte «Schlechtprognose» und würde eine unbedingte Haftstrafe erlauben. Wegen des Verschlechterungsverbots bleibt es aber bei der teilbedingten Gefängnisstrafe von zwölf Monaten, von denen Emre sechs absitzen muss.