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Familienvater nach Fussballmatch von FC-Basel-Fan verprügelt: «Es hätte jedem passieren können»

Nach einem Cupspiel im September 2022 griff ein Anhänger des FC Basel einen FC-Aarau-Fan an. Er trat auf den Familienvater ein, obwohl dieser mit einer gebrochenen Nase wehrlos am Boden lag. Das Obergericht musste beurteilen, ob das harte Urteil des Bezirksgerichts gerechtfertigt ist.

«Glanzvoller Cup-Auftritt bleibt ohne Belohnung», titelte der FC Aarau den Spielbericht nach dem verlorenen Spiel gegen den FC Basel am 18. September 2022. «Ich war mit Freunden und meiner Partnerin am Match», erinnert sich ein FCA-Fan aus der Region vor Obergericht an diesen Tag. Nach dem Abpfiff habe man das Brügglifeld zügig verlassen, um die Kinder abzuholen, die das Paar abgegeben hatte.

Am Bahnhof passierte es dann: «Wir gingen die Treppe hinunter und trafen auf eine Gruppe FCB-Fans», erinnert sich der Mann. Unvermittelt habe er einen Faustschlag ins Gesicht bekommen. «Meine Nase war gebrochen», erzählt der FCA-Anhänger. Warum es zu dieser Gewalt kam, kann er sich nicht erklären. «Von meiner Gruppe ging keine Aktion oder Aggression aus», beteuert er. Erst nach dem Faustschlag habe seine Frau einen Becher nach einem Angreifer geworfen. Einer Fangruppierung gehöre er nicht an, sei auch noch nie an einem Auswärtsspiel gewesen.

In der erstinstanzlichen Verhandlung vor dem Bezirksgericht Aarau hatte der Beschuldigte argumentiert, jemand habe eine Bierdose geworfen. «Ich trinke kein Bier, und weder ich noch jemand aus meiner Gruppe hat etwas geworfen», erzählt das Opfer auf Nachfrage einer Oberrichterin. «Es hätte jedem passieren können.»

Angriff wurde von Videokameras aufgenommen

Nach dem Angriff kam es wenig später zu einer zweiten Auseinandersetzung. «Ich lief am Rand der Unterführung, auf Höhe von Gleis 4 kam die Gruppe dann ‹obenabe gsecklet›», erinnert sich der FCA-Fan. Erneut kam ein Angreifer auf ihn zu. Wo ihn der erste Schlag traf, daran erinnert er sich nicht mehr genau. Nur, dass er zu Boden ging. Laut Anklageschrift trat der FCB-Anhänger dem wehrlosen Opfer dann gegen den Kopf, mit voller Wucht.

Der Angriff wurde von den Überwachungskameras aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft kündigte nach dem Vorfall eine Öffentlichkeitsfahndung an und räumte dem Täter zunächst eine Frist von einer Woche ein, um sich freiwillig zu melden. Als er das nicht tat, veröffentlichte die Behörde im April 2023 verpixelte Bilder, worauf sich ein heute 24-Jähriger aus Pratteln zu erkennen gab.

FCB-Anhänger will sich in Therapie begeben

Der Beschuldigte wurde vom Bezirksgericht Aarau zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, mit einem unbedingten Anteil von zwölf Monaten. Zu viel, findet der Verteidiger: «In vergleichbaren Fällen belief sich die Strafe auf 16 bis 23 Monate bedingter Freiheitsstrafe.» Sein Mandant habe sich durch einen Bierdosen-Wurf provozieren, von seinen Kollegen mitreissen lassen und sei alkoholisiert gewesen, führt er ins Feld.

Das Opfer trug nicht nur eine gebrochene Nase davon, die Fusstritte gegen den Kopf haben dazu geführt, dass sein Auge nicht mehr so rasch fokussieren kann. «Ich muss jährlich zur Kontrolle, weil ein erhöhtes Risiko besteht, dass sich die Netzhaut ablöst», erzählt der Mann. Der Verteidiger erklärt, sein Mandant habe nicht gegen den Kopf, sondern in die Luft getreten, er habe im letzten Moment realisiert, dass er «en Seich machi». Dass sein Mandant für die schweren Verletzungen verantwortlich sei, liesse sich nicht nachweisen.

Obergericht weist Berufung ab

Der Beschuldigte selbst wollte sich nur noch zu seiner Person, nicht aber zu den Vorkommnissen äussern. Er habe seit dem Vorfall sehr gelitten, seinen Job und seine Freundin verloren und sei drogensüchtig gewesen. «Ich bin jetzt angemeldet für eine psychiatrische Behandlung», erzählt er. Einer Fangruppierung gehöre er nicht an, besuche seit dem Vorfall keine Spiele mehr. «Der Tag hat mein Leben verändert, ich will endlich damit abschliessen.»

Das Obergericht wies die Berufung ab. Es bleibt also bei der teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dazu geführt haben insbesondere die Videoaufnahmen. Zur Veranschaulichung wird bei der Urteilseröffnung ein Standbild gezeigt: Darauf ist der Beschuldigte zu sehen, das Bein aufgezogen, vor ihm das Opfer. «Das lässt keine Zweifel, dass sie volle Pulle gegen den Kopf treten wollten – wie bei einem Penalty», sagt Oberrichter Jann Six. Dies könne zu Hirnschädigungen oder lebensbedrohlichen Verletzungen führen – dass das Opfer verhältnismässig glimpflich davongekommen sei, sei reines Glück gewesen.

Das Urteil kann noch vor Bundesgericht angefochten werden.