Frau fühlte sich von Parfümduft belästigt – und steht mitten in der Nacht plötzlich in der Wohnung des Nachbarn
Kurz nach Mitternacht riss mehrmaliges Klingeln an seiner Wohnungstüre Michael (Name geändert) aus dem Schlaf. Er stand auf und öffnete die Haustüre, konnte aber im Treppenhaus keine Person antreffen. Michael machte die Türe wieder zu, ohne sie allerdings abzuschliessen und ging ins Badezimmer. Kurz darauf verliess er dieses wieder – und stiess im Gang auf seine Nachbarin Valentina (Name geändert), die sich unerlaubterweise Zutritt zu seiner Wohnung verschafft hatte.
So lautet zusammengefasst die Ausgangslage im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten. Passiert ist der Vorfall im Juni 2022 in einer Gemeinde im Bezirk Muri. Valentina wurde in der Folge wegen Hausfriedensbruch zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 90 Franken sowie einer Busse über 200 Franken verurteilt. Sie wehrte sich sowohl gegen den Strafbefehl als auch gegen das Urteil des Bezirksgerichts Muri. Deshalb befasste sich nun das Obergericht mit dem Fall.
Sie stritt im Nachhinein ab, in der Wohnung gewesen zu sein
Unbestritten ist dabei, dass es zwischen Valentina und ihrem Nachbarn Michael, der in einer Wohnung direkt unter ihr wohnt, in jener Nacht zwischen 00.45 Uhr und 1.00 Uhr zu einer Auseinandersetzung gekommen ist. Im Kern geht es um die Frage, ob sie tatsächlich Michaels Wohnung betreten hatte.
Valentina stritt dies nämlich nachträglich in ihren Beschwerden ab, obwohl sie dies in einem Einvernahmeprotokoll bei der Polizei fünf Tage nach dem Vorfall schriftlich bestätigt hatte. Die Polizei habe sie gezwungen, die Frage, ob sie in der Wohnung gewesen sei, mit Ja zu beantworten und sie müsse unterschreiben, behauptete Valentina.
Aus ihrer Sicht hatte sich alles anders abgespielt, als es Michael und seine Lebenspartnerin Heidi (Name geändert) schilderten. Valentina erklärte gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass «sie in der besagten Nacht an der Tür von Michael gestanden habe, da dieser und Heidi unablässig ekelhaft riechende Parfüms in ihre Wohnung von unten nach oben gespritzt hätten.» Die beschuldigte Freiämterin führte aus, sie habe mit Wut an die Tür geklopft und diese habe sich geöffnet. Sie habe sich im Treppenhaus befunden und Heidi und Michael seien betrunken ins Treppenhaus gekommen.
Schlüssige Ausdrucksweise der Zeugen überzeugt das Gericht
Anders klingt es bei Michael und Heidi. In ihren Zeugenaussagen erkennt das Obergericht eine schlüssige und konstante Ausdrucksweise. Michael sagte beispielsweise überliefert: «Sie ist circa einen Meter in der Wohnung gestanden, und ich habe ihr gesagt: ‹Raus hier!›. Ich bin sehr laut gewesen und sie hat fluchtartig die Wohnung verlassen.»
Die Oberrichter erachten die Aussagen von Michael und Heidi insgesamt als glaubhaft. Sie schreiben: «Er nahm trotz schlechtem nachbarschaftlichem Verhältnis keine Mehrbelastungen vor. Sondern hielt fest, dass sich diese nur einige Sekunden in seiner Wohnung beziehungsweise ein bis zwei Meter von der Tür entfernt im Flur befunden habe.»
Zu Valentinas Vorhalt, sie sei von der Polizei zur Unterschrift gezwungen worden, taxiert das Obergericht als Schutzbehauptung. «Sie brachte diese vor, nachdem sie sich durch den Strafbefehl der Konsequenzen ihres Verhaltens bewusst wurde», heisst es im Urteil. Das Obergericht spricht Valentina wie die Vorinstanzen des Hausfriedensbruchs schuldig und bestätigt das Strafmass. Hinzukommen für sie noch die Verfahrenskosten von total 3376 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.