
Wird der Aargau zum Kanton mit vielen Lasten, aber ohne direkten Zug nach Bern?
«Baden ↔ Bern direkt», das steht auf einem Kleber, der am Samstag bei einer Aktion zur Rettung des Direktzuges verteilt wurde. Am Bahnhof Baden versammelten sich Ständeräte und Nationalrätinnen, Badener Stadtpolitiker sowie eine Delegation aus Brugg und Windisch. Sie alle waren sich einig: Die direkte Bahnverbindung in die Bundeshauptstadt, die nach den Plänen des Bundesrats mit dem Ausbauschritt 2035 entfallen soll, muss gerettet werden.

Bild: Christian Roth
Das sehen auch Grossratsmitglieder mehrerer Parteien so, wie SP, SVP, Mitte, Grüne und GLP am Montag in einer gemeinsamen Mitteilung schreiben. Mit der Streichung des Zuges drohe «eine der wirtschaftlich bedeutendsten Regionen des Kantons Aargau von wichtigen Direktverbindungen abgehängt zu werden», heisst es darin. Verhindern soll dies eine Motion von Ständerätin Marianne Binder, die zuständige Kommission der kleinen Kammer hat diese jedoch abgelehnt.
In einer Woche, am 11. März, steht die Abstimmung im Plenum an, dann entscheiden die 46 Ständeratsmitglieder. Für die Grossrätinnen und Grossräte im Aargau ist klar: «Es ist inakzeptabel, dass der Kanton immer mehr nationale Aufgaben übernimmt, aber bei der ÖV-Erschliessung geschwächt wird.» Früher seien Direktzüge nach Bern, Genf oder Brig eine Selbstverständlichkeit gewesen. Heute würden solche Verbindungen zunehmend gekürzt.
AKW, Deponien und Autobahnen – aber kein Direktzug?
In der Region Baden/Brugg lebten mehr als 250’000 Menschen, zudem seien hier Industrie, Forschung, Bildung und zahlreiche Unternehmen von überregionaler Bedeutung angesiedelt, teilen die Parteien weiter mit. Die leistungsfähige Bahnverbindung zu schwächen, treffe nicht nur Pendlerinnen und Pendler, sondern auch Unternehmen, Hochschulen und die gesamte regionale Wirtschaft.
Die fünf Parteien schreiben weiter, der Aargau sei Transitstrecke für den Ost-West- und Nord-Süd-Güterverkehr. Zudem belasteten zahlreiche Deponien, Kiesgruben, Atomkraftwerke, Hochspannungsleitungen und Autobahnen die Bevölkerung. Nun werde die Region Baden/Brugg auch noch vermehrt als Ausweichstrecke für den Güterverkehr genutzt – «während die SBB bei den Personenverbindungen abbaut».
Die Grossratsparteien erwarten, dass der Regierungsrat «in Bern vehement gegen diesen Leistungsabbau protestiert». Zudem solle er sich gemeinsam mit den Nationalrätinnen und Nationalräten sowie den beiden Mitgliedern des Ständerats für einen attraktiven öffentlichen Verkehr im Kanton einsetzen. Am Dienstag ist im Kantonsparlament eine gemeinsame Erklärung geplant, die auch FDP und EVP unterstützen dürften.
Regierungsrat unterstützt Anliegen von Binder
Zuletzt berichtete das Badener Tagblatt,in Bern gebe es offenbar Stimmen, die behaupten, die Kantonsregierung stehe nicht voll hinter der Motion zur Rettung der Direktverbindung. Dazu sagte Marianne Binder: «Da wünsche ich mir natürlich den vollen Support. Das letzte Mal wurden unsere Aargauer Parlamentarier mit einem Schreiben bedient. Es wäre sehr gut, wenn man dies nun bei allen Ständeräten tun würde.»
Giovanni Leardini, Sprecher im Departement Bau, Verkehr und Umwelt, hält dazu fest: «Der Regierungsrat unterstützt das Anliegen.» Verkehrsdirektor Stephan Attiger habe die Aargauer Mitglieder von National- und Ständerat bereits vor rund einem Jahr kontaktiert und die Unterstützung des Regierungsrats betont. Der Inhalt der damaligen Mitteilung sei nach wie vor zutreffend, schreibt der Sprecher. Attiger habe dies kürzlich in einer weiteren Nachricht an die Aargauer Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier wiederholt und bestätigt.
Unsicherheiten machen Forderung wichtiger
Geändert hat sich indes die Ausgangslage beim geplanten Bahnausbau ab dem Jahr 2035. Aufgrund massiver Mehrkosten lässt Verkehrsminister Albert Rösti alle Projekte überprüfen und priorisieren. Auf dem Prüfstand stehen vor allem sechs geplante Ausbauten der Bahn, darunter auch der geplante Tunnel zwischen Zürich und Aarau. Die ETH soll bis Herbst einen Bericht liefern und aufzeigen, welches Verkehrsprojekt wann realisiert werden kann – ohne dass die Kosten massiv überschritten werden.
«Wegen dieser planerischen Unsicherheiten ist es umso wichtiger, dass die Motion zur Rettung der Direktverbindung überwiesen wird», hält Leardini fest. Und er wiederholt, sowohl Stephan Attiger als Verkehrsdirektor als auch der Gesamtregierungsrat unterstützten die Forderung. Als Vorstandsmitglied der Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs vertrete Attiger zudem die Interessen des Aargaus an vorderster Front.