
Kanton will «Gemeindeammann» und Co. abschaffen – nicht nur SVP Aargau spricht von «Gendergaga»
Begriffe wie «Landammann», «Gemeindeammann» und «Einwohnerrat» sollen, wenn es nach dem Kanton Aargau geht, bald der Geschichte angehören. Der Regierungsrat hat die neuen Organbezeichnungen in die Anhörung geschickt. Diese dauert bis zum 6. Juni.
Vorgesehen sind neu die Bezeichnungen «Regierungspräsidium» für Landammann und Landstatthalter, «Gemeindepräsidium» für Gemeindeammann und «Gemeindeparlament» für Einwohnerrat.
SVP: «Änderung kostet nur Steuergelder»
Wenige Tage nach dem Start dieser Anhörung regt sich bereits Widerstand von rechts. Die SVP Aargau spricht sich in einer Mitteilung mit dem Titel «Für Tradition – gegen Gendergaga!» vehement gegen die neuen Begriffe aus: «Die SVP Aargau lehnt diese völlig unnötigen Änderungen und die damit verbundene Abkehr von traditionellen und würdigen Amtsbezeichnungen klar ab.» Ammann und Statthalter seien geschichtsträchtige und bewährte Bezeichnungen für ehrenvolle Ämter.
«Präsidenten gibt es wie Sand am Meer», heisst es in der Mitteilung weiter. Die Frau Ammann gebe es in «einer Gemeinde oder auf Stufe Kanton nur ein einziges Mal». Die Bezeichnung sei gemäss SVP-Mitteilung «präzise, bewährt und für beide Geschlechter problemlos geeignet». Die Änderung koste nur Steuergelder und bringe keinen Mehrwert.
«Was sind die wahren Probleme der Frauen im 21. Jahrhundert?»
Nicht nur die SVP wehrt sich gegen die neuen Bezeichnungen.FDP-Grossrätin und Frau Gemeindeammann von Möriken-Wildegg, Jeanine Glarner, sagte im Juni 2022, dass sie überhaupt kein Problem mit ihrer geschichtsträchtigen Funktionsbezeichnung habe. Sie fragte rhetorisch: «Was sind die wahren Probleme der Frauen im 21. Jahrhundert? Was genau ist eigentlich das Problem?»
Gemeinden können heute selber entscheiden, ob ihr Oberhaupt Gemeindeammann oder Gemeindepräsidentin heissen soll. Das haben beispielsweise Mellingen oder Muhen schon geändert.
Die Bezeichnungen der politischen Ämter sind auch in der Kantonsverfassung verankert – und dort ist bis jetzt nur vom Gemeindeammann die Rede.
Für einen generellen Ersatz des Begriffs Gemeindeammann bedarf es einer Änderung der Kantonsverfassung, da der Gemeindeammann in Paragraf 107 Absatz 1 als notwendiges Organ der Gemeinde genannt wird.
Abstimmung nötig, um Kantonsverfassung zu ändern
Da es sich um eine Änderung der Kantonsverfassung handelt, wird am Schluss das Stimmvolk an der Urne über die Teilrevision entscheiden.
Vor drei Jahren forderten zehn Grossrätinnen aller Parteien ausser der SVP per Motion, die rein männliche Form in der Kantonsverfassung zu ändern. Gut 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts sei es an der Zeit, dass in den Bezeichnungen der höchsten politischen Ämter kein Geschlecht mehr explizit erwähnt werde, sagte damals SP-Grossrätin Carole Binder-Meury.(fan)